Nach langem Ringen geht es nun bei uns aufwärts. Das heißt, es kann aufwärts gehen, wenn man will, denn es gibt eine neue Treppe. Puh, das hat lange gedauert. Bereits bei der ersten Besichtigung des Hauses war es keine Liebe auf den ersten Blick. Hass war es auch nicht, denn man kann eine Treppe schlecht hassen, auch wenn sie noch so unansehnlich ist. Es war eher sowas wie eine instinktiv gefasste Abneigung. Kennt man auch von einigen Menschen, die sich unfreiwillig als Kolleginnen oder Kollegen, als Freunde von Freunden, als neuer Lebenspartner der besten Freundin oder dergleichen klammheimlich ins Leben schleichen: sie erfüllen ihren Zweck, aber man wird einfach nicht warm mit ihnen. So war es auch mit mir und der alten Treppe.
Dazu muss man wissen, dass die Treppe a) keine Setzstufen hat, man also durch die einzelnen Stufen hindurchsehen kann und sich b) genau unter besagter Treppe zum Obergeschoss auch die Treppe zum Keller befindet. Diese ist gefliest und im Vergleich noch geradezu schön. Das führt letztlich dazu, dass man durch die einzelnen Trittstufen bis in den Keller bzw. auf die Kellertreppe schauen kann. Regelrecht gruselig. Der Keller ist ohnehin nicht mein Lieblingsort. Nicht in diesem Haus und auch in keinem anderen. Es ist der Ort, wo es sich die Spinnen gemütlich gemacht haben, wo der olle Heizkessel steht und die rumpeligen Gartengerätschaften. Wo eben alles gelagert wird, das zu hässlich für den alltäglichen Deko-Gebrauch ist. Unten ist es zumeist stille und es riecht nach einer Mischung aus Heizung und Dunkelheit. Kein schöner Ort, ich sagte es schon. Es ist daher umso wunderlicher, warum es die Vorbesitzer völlig ok fanden, den Übergang zwischen Keller und Wohnbereich so offen zu lassen. Keine Tür trennt den Wohnraum von der Kellertreppe. Erst unten findet sich eine verzogene alte Zimmertür, die man wohl irgendwann nachträglich eingebaut hat, als es selbst dem ärgsten Vorbesitzer zu gruselig wurde. Die Zimmertüre steht jedoch – weil sie halt verzogen ist – immer einen Spalt offen, wodurch das Grauen latenten Zugriff auf den Wohnbereich hat. Das musste geändert werden. Wir wollten alles dicht machen. Der Keller sollte komplett vom Wohnbereich getrennt werden. Das beinhaltete also sowohl Setzstufen bei der neu zu kaufenden Treppe als auch eine Abtrennung samt Tür zum Keller hin.

Angebote wurden eingeholt. Ihr ahnt schon, was nun kommt. Treppen sind anscheinend furchtbar teuer. Selbst unser lieber Fensterbauer, der sich bei den Fenstern als unheimlich günstig herausgestellt hatte, wollte eine stattliche Summe von 7000 Talern haben. Vielleicht wäre sie das auch wert gewesen, wir wissen es nicht. Denn uns erreichte nur der Preis, aber keine genaue Vorstellung der Treppe. Vielleicht hätte er sie eigens aus jahrhundertealter Eiche gezimmert, mit gedrechseltem Handlauf und feinster Maserung. Kann schon sein. Da wir es aber nicht wussten, entschieden wir uns dagegen. Andere Angebote hatten allerdings auch nicht mehr Charme. Obgleich wir uns vorgenommen hatten, die heimischen Handwerker zu beauftragen, hatten wir an diesem Punkt unseres Bauprojektes von den heimischen Handwerkern ziemlich die Nase voll. Während des Bauvorhabens konnten nur Estrichleger und obiger Fensterbauer (und potenzieller Treppenprofi) wirklich überzeugen. Die anderen fanden wir vorrangig unhöflich, unpünktlich und schweineteuer.
(An dieser Stelle möchte ich schon mal spoilern und einen extra Beitrag über unseren Elektriker ankündigen, welcher in Kürze folgen wird. Der Kampf mit ihm ist noch nicht beendet – ebenso wie unsere Elektrik übrigens. Aber ich will nicht vorgreifen, ihr werdet es sehen…)
Zurück zur Treppe. In Ermangelung vernünftiger regionaler Alternativen entschieden wir uns, die Vorteile…äh…europäischer Freizügigkeit in Anspruch zu nehmen. Mal ein bisschen über den Tellerrand hinaus sehen, dachten wir uns. Andere Länder haben auch fleißige Handwerker, dachten wir weiter. Und sahen nach Polen. Dort fanden wir einen fleißigen Treppenbauer, der sich – aus nahe liegenden Gründen – mit seinem Unternehmen auf deutsche Kundschaft spezialisiert hatte. Kurzer Anruf und der Mann kam mit Katalog und Zollstock vorbei. Im Nullkommanichts fing er an zu messen. Kurze Blicke nach oben, nach unten – einschließlich eines prüfenden Blicks in den Garten, warum auch immer – und die Sache war für ihn geritzt. Zufällig stand vor der Treppe ein gebrauchter Metallspind, der künftig im Kinderzimmer stehen soll. Auf dem Spind waren mit Bleistift diverse männliche Vornamen der mutmaßlichen Vornutzer gekritzelt. Beim Lesen jauchzte er auf: „Ah, Marek.!“
Roman: „Äh, nein Roman.“ – „Nein, Marek mein Name“, sagte der Treppenbauer strahlend. Sofort gab es eine Connection zwischen den beiden, das Eis war gebrochen, Spind sei Dank. Marek maß weiter aus und warf mir dabei einen Katalog zu: „Farbe Wange?“
„Weiß“, entschied ich spontan. Vermutlich hätte ich auf derartige Fragen wirklich vorbereitet sein sollen, aber irgendwie war der Mann zu schnell für mich. Im Nachhinein hätte ich eine dunklere Treppe gewählt, aber es wird auch so hinkommen. Weiß ist schließlich ein Klassiker.
„Farbe Stufe?“, fragte Marek weiter. – „Eiche.“ Ich hatte mich seinem knappen Sprachstil schnell angepasst. Roman guckte. Marek führte seine Schnellfeuerinquisition weiter: „Handlauf glatt?“
Nun brauchte ich doch Unterstützung durch den Katalog. Schnell blätterte ich und ebenso schnell entschied ich mich für ein country-eskes Beispiel an Handlauf nebst Geländer. Würde schon werden, war ich weiterhin optimistisch.
Insgesamt dauerte Mareks und mein Gespräch circa zwei Minuten. Ging schließlich nur um die Deko. Immerhin eine weitere halbe Stunde verbrachte er mit seinem neuen Kumpel Roman um die Absperrung zum Keller zu besprechen. Da ging es dann um Nebensächlichkeiten wie Kabelverlegung und dergleichen. Einmal durfte ich noch das Wort ergreifen und eine Türe zum Keller auswählen. Ich demonstrierte, wie die Türe aufgehen sollte. Marek stimmte zu und schrieb mit.
Er kündigte eine Produktionsfrist von circa sechs Wochen an. Ob er die alte Treppe abbauen sollte? Für zusätzliche 400 EUR? Nein, danke, entschieden wir unisono. Roman ist schließlich ein Sparfuchs und ich einfach geizig. Das würden wir selbst hinbekommen müssen.
Ziemlich genau sechs Wochen später wurden wir informiert, dass die Treppe fertig sei. Nun hieß es für uns, die alte Treppe ratzfatz abzumontieren. Die Kinder wurden kurzfristig an die Großeltern verkauft und wir machten uns alleine auf den Weg ans Haff.
Ungefähr zwanzig Minuten kalkulierten wir für die Arbeitszeit, den Rest würden wir gemütlich mit Picknickdecke und Rotwein am Strand verbringen. Soweit erstmal der Plan. Wir kalkulieren übrigens immer zwanzig Minuten ein, denn das ist exakt die Zeit, die die Probanden in den Hornbach-Heimwerker-Videos für ihre Projekte benötigen. Egal ob sie ein Bohrloch ausbessern oder ein Mehrfamilienhaus kernsanieren – zwanzig Minuten später sind sie fertig. Und lächeln noch dabei. So haben wir uns anfänglich die Sanierung unseres kleinen Einfamilienhauses auch vorgestellt. Vor lauter Trotz rücken wir auch von dieser Vorstellung nicht ab, koste es, was es wolle. Das führt natürlich hier und da zu zeitlichen Engpässen, aber nach mittlerweile 52.560 Mal 20 Minuten haben wir das akzeptiert.
Ganz gemächlich legten wir also noch einen Laminatboden im Schlafzimmer, besserten hier und da ein bisschen Putz aus, gingen tatsächlich zum Strand und sprangen in die Wellen und widmeten uns dann schließlich gegen 18 Uhr dem Treppenabriss.
Am Anfang war eigentlich alles ganz einfach. Roman kloppte die ersten Treppenstufen ab und ich verputzte die Teile der Wand, die zuvor von den Stufen verdeckt gewesen waren. So arbeiteten wir uns nach unten vor. Stufe ab, verputzen. Stufe ab, verputzen. Mit jeder Stufe wurde das Loch, auf das ich während des Verputzens starrte, größer. Proportional dazu wuchs mein Schwindelgefühl. Ich konnte schließlich nicht nur ins Erdgeschoss, sondern gleich noch eine Etage tiefer in den Keller fallen. Stufe ab, verputzen. Ohhh, gleich würde ich sicher stürzen. Nur noch eine Sekunde. Das Alter der Treppe führt übrigens dazu, dass einige Stufen schon ein wenig vor sich hinwackeln. Je mehr Stufen wir zudem entfernten, umso mehr verlor die ganze Treppe an Stabilität. Auch nicht unbedingt hilfreich. Nach ungefähr neun Hornbach-Videos ermüdeten wir zudem zusehends. Machte alles keinen Spaß mehr. Als wir auf der Höhe des Kellers angekommen war, warf ich die Maurerkelle ins Korn bzw. den Bau-Eimer und wollte Feierabend machen. Ich traue mich aber nie, es als Erste zu sagen, weil ich nicht will, dass Roman mich für einen Schwächling hält. Darum tue ich stets so, als sei ich noch topfit und warte sehnsüchtig auf den Moment, wenn er zaghaft vorschlägt, „Schluss für heute?“ zu machen. Dieses Mal war Roman unerwartet fit und sagte die erlösenden Worte einfach nicht. Wir machten also weiter. Am Ende war dann nur noch das seltsame metallene Gitterwerk zu entfernen, das zuvor mit schönen Kiefernbrettern verkleidet war und den trauten Charme meiner Kindheit in den Achtzigern verströmte. Der Mann warf also den Winkelschleifer an und fing an, die Metallstäbe zu durchtrennen. Ging anfangs noch ganz gut, dann merkte er, dass wir in Sachen Arbeitsschutz echt noch eine Schippe drauflegen könnten. Seine zarte Haut verbrannte unter den vielen Funken, die Winkelschleifer und Metall verursachten. Seine kleinen Härchen verbrannten. Es ziepte überall, so seine Meinung. Natürlich hielt er mannhaft durch, nur kleinere Klagen kamen über seine Lippen (allerdings sehr oft und schnell hintereinander…). Irgendwann war das Metall von der Wand gelöst und musste nur noch zerschnitten werden. Nun musste der arme Mann sich so über das Gitter stellen, dass der komplette Funkenregen gegen seine – selbstverständlich ungeschützten – Beine flog. Das konnte ich nicht zulassen. Was tun? Die Arbeitshose, die ihn hätte schützen können, lag im Obergeschoss. Da kamen wir ja nun nicht mehr hin. Wir mussten improvisieren. In der Küche fand ich eine große Einkaufstüte. Aus Plastik war sie, Asche auf unser Haupt (aber Mehrzweck!). Ich stellte sie dem Mann zur Verfügung, der hineinkletterte, dann band ich die Haltegriffe um seine Beine, damit der Tütenschutz nicht an Höhe verlor. So konnten wir die Arbeit letztlich zu Ende bringen. Gottlob dauerte es nun wirklich nur noch zwanzig Minuten, bis das elende Gitter in mehr oder weniger handliche Stücke zerlegt war. Am Ende der Arbeiten bestand die Einkaufstüte nur mehr aus kleinen Plastikfetzen. Ha! Die würden keinen Ozean mehr verpesten! Treppe zerlegt und Erde gerettet.

Es war dann auch nur noch eine klitzekleine Herausforderung, zum Nachtlager im Obergeschoss zu kommen. Einmal die vier Meter hohe Leiter erklimmen und schon konnten wir uns zur Ruhe begeben. Verdient.
Wenige Tage später wurde dann auch schon die neue Treppe geliefert und montiert. Mareks polnische Kollegen hatten zuvor zwei Tage dafür veranschlagt, Donnerstag und Freitag. Roman machte das Home Office kurzerhand zum Holiday Home Office und fuhr ans Haff. Die Tischler kamen pünktlich wie die Maurer zur angekündigten Uhrzeit und legten gleich los. Ihr wisst ja inzwischen, dass absolut nichts in unserem Haus gerade ist. Tatsächlich gibt es nur einen einzigen geraden Winkel und der befindet sich an der einzigen Trockenbauwand, die wir gesetzt haben. Unnötig zu erwähnen, dass ein einziger rechter Winkel nichts nutzt, wenn drei von vier Wänden irgendwo zwischen 70 und 120 Grad wanken. Das lernten nun auch die Polen, als sie den bestellten Treppenbausatz zusammensetzen wollten. Als Roman mich für ein Update anrief, hörte man die Handwerker im Hintergrund fluchen: „Kurwa, kurwa.“
„Was sagen sie da?“, wollte ich wissen. Aufgrund von Romans russischer Muttersprache erwarte ich unsinnigerweise von ihm, sämtliche osteuropäischen Sprachen für mich übersetzen zu können. Meistens klappt es. Auch diesmal reichte sein Russisch für Polnisch. Er druckste ein wenig rum: „Naja, sowas wie Mist.“ – „Ah, na gut, wir fluchen ja auch immer.“
„Kurwaaaaa.“, schallte es aus dem Hintergrund. Sie schienen wirklich zornig zu sein. Als wir unser Telefonat beendet hatten, schlug ich spontan nach, was genau sie nun fluchten. Bin immer noch empört. Die arme Treppe.
Letztlich bekamen sie es aber ganz gut hin. Optisch ist die Treppe der absolute Traum geworden, wie ich finde. Landhaus trifft…nun, trifft eigentlich gar nichts. Es ist einfach nur Landhaus. Wir brauchen also mal wieder die richtige Deko, um sie ein wenig aufzucoolen. Zudem waren die Kollegen super schnell. Statt der geplanten zwei Tage brauchten sie nur einen halben. Am frühen Nachmittag waren sie fertig. Vielleicht arbeiten sie nebenbei noch bei Hornbach.
Wie immer gibt es trotz Profi-Arbeit auch etwas auszusetzen. Überhaupt ist das eine Lektion, die ich beim Sanieren gründlich gelernt habe: Auch Profis machen Fehler, auch Profis bekommen nicht alles perfekt hin. So ist aus unerfindlichen Gründen oben zwischen der ersten Stufe und dem Absatz im Flur eine kleine Lücke entstanden. WARUM? Marek hatte doch so gut gemessen! Die Lücke ist ungefähr 3 cm breit, reicht also im unglücklichsten Fall für einen Kinderfuß. Da müssen wir uns jetzt was überlegen.
Außerdem stimmt was mit der Tür nicht. Mit Marek hatte ich – nicht gerade in epischer Breite, aber doch deutlich – diskutiert und demonstriert, wie die Tür sich öffnen sollte. Nämlich mit der rechten Hand ins Keller-Innere. Wie öffnet sich die Türe nun tatsächlich? Nicht in den Keller, sondern in den Flur hinein. Booooahh. Er hatte sich doch sogar Notizen gemacht! Meine Güte. Egal. Immerhin haben wir durch die Kollegen im Nachbarland rund 2000 EUR gespart, da lebe ich auch mit der seltsamen Tür. Meinetwegen kann sie ohnehin permanent geschlossen werden.

Nun haben wir jedenfalls eine traumhaft schöne Treppe und können uns bei Gelegenheit mal dem Boden im Flur widmen. Doch das ist eine andere Geschichte….
Hi Steffi, ich hab es jetzt erst gelesen und mich wieder weggelacht. Ich habe es sogar laut für meinen Mann vorgelesen. Er fand es auch lustig. Wir kennen das auch mit den rechten Winkeln. Wir haben nicht einen davon 😉 Die Treppe ist total schön geworden, trotz „kurwa“ 😉
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