Ja, es ist soweit. Wir haben Strom. Ja, tatsächlich. Wirklich jetzt! Gern erläutere ich euch mal kurz, wie es endlich dazu kam:
Vermutlich gibt es unter Handwerkern ein großes Netzwerk, in dem sich alle absprechen. Zwar versucht man, sich gegenseitig die Aufträge abspenstig zu machen, aber wenn es um den gemeinsamen Feind – also den Kunden – geht, hält man zusammen. Und so haben sich auch unser alter und unser neuer Elektriker gemeinsam gegen uns verschworen und beschlossen, uns einfach von Woche zu Woche zu vertrösten. Bestimmt haben sie in den vergangenen Monaten einen wöchentlichen Telefontermin anberaumt um sich halbtot darüber zu lachen, wie lange man jemanden hinhalten kann. Mal war es die Vielzahl der Baustellen, die man zu betreuen hatte, mal Krankenfälle in der Belegschaft. Ja, sogar Todesfälle wurden ins Feld geführt. Es schien wirklich verflucht. Aber das ist nun vorbei.
Nachdem der Elektriker und ich via WhatsApp einen kleinen Disput à la „Wenn du deinen Teil der Abmachung (=Arbeit) nicht hältst, halte ich meinen (=Bezahlung) auch nicht.“ hatten, ging es irgendwann. Wenn es um Geld geht, hört die Freundschaft schließlich auch mit verklüngelten Kollegen auf – selbst wenn es im wöchentlichen Telefontermin noch so lustig war. Urplötzlich war der Angestellte doch in der Lage, zu Werke zu gehen. Ja, einmal haben wir ihn tatsächlich persönlich zu Gesicht bekommen, als wir eines schönen Freitagmorgens unangekündigt auf der Baustelle erschienen. Und das war reines Glück, denn ganz offenbar war er just in dem Moment dabei, Feierabend zu machen. Beinahe hätten wir ihn also verpasst. Oder lag es etwa an unserem Erscheinen, dass der Kollege sich so schnell vom Acker machte…?
Inzwischen sind alle Kabel verlegt und wir haben auch schon die Kabelschlitze geschlossen. Hier und da sollte schon noch der ein oder andere Schleifvorgang erfolgen, aber erstmal ist alles dicht! Nun heißt es jedoch wieder warten – diesmal für den Elektriker. Die Rechnung für seine Leistungen haben wir bereits lange vor Beendigung dieses Arbeitsschrittes erhalten. Jetzt müssen wir diese aber zunächst auf Richtigkeit prüfen. Und zwar sehr gründlich, man weiß ja schließlich nie. Man sollte da auch nicht vorschnell zu Werke – sprich zur Bank – gehen, denke ich. Schließlich haben wir ja parallel ungefähr fünf Baustellen, pardon Rechnungen, zu bearbeiten und haben deshalb nicht sofort Zeit für die Begleichung unserer Schulden. Bei seinem großen Verständnis für Verzögerungen wegen großen Arbeitsaufwandes ist der Elektriker diesbezüglich sicher auch mit uns großzügig. Oder meint ihr nicht?
Da wir noch vor einiger Zeit nicht damit rechneten, dass die Elektrik jemals voranschreiten würde, haben wir das vergangene Wochenende leichtsinnigerweise mit anderen Arbeiten verplant. Konkret wollten wir uns mal um den künftigen Parkplatz kümmern. Dieser soll ja auf der Fläche neben dem Haus entstehen. Bis zum vergangenen Wochenende prangten auf dieser Fläche noch einige Wurzeln, kleine Büsche und allerlei Grünzeug. Das galt es zu beseitigen.
Wir hatten uns in der Vergangenheit ja bereits mehrfach erfolglos an einem riesigen Baumstumpf versucht. Mehrere Sommertage haben wir schwitzend und keuchend versucht, mit Spaten, Sägen und Äxten den Baumstumpf aus der Erde zu bekommen. Schließlich mussten wir einsehen, dass wir da mit unserer beschränkten Körperkraft nichts Großartiges ausrichten konnten und beschlossen, einen Bagger zu mieten. Seitdem vertrösten wir den Sohn Wochenende um Wochenende. Er konnte es gar nicht erwarten, endlich Baggerfahrer zu werden. Dann war es endlich soweit. Der Nachbar beschloss, dass ein paar Erdarbeiten auf seinem Grundstück ebenfalls keinen Aufschub mehr duldeten und fragte uns, ob wir uns in Sachen Baggermietung nicht zusammen tun wollten. Wollten wir. Letzten Freitag also kam er dann. Der Bagger. Ein kleiner gelber CAT 301.7D. Um die lange Geschichte kurz zu machen: es sieht leichter aus als es ist. Einfach alles an unserem kleinen Bagger-Vorhaben klappte nur mit Hängen und Würgen: Er wurde pünktlich am Freitag geliefert. Übers Wochenende sollten wir nun zwei Tage à acht Arbeitsstunden zur Verfügung haben. Unser Nachbar wollte in seinem Garten einen Graben ausheben, um in diesem ein Stromkabel zu versenken. Voll motiviert startete er seine Arbeiten – und musste erkennen, dass man ohne Übung mit dem Teil nicht weit kommt. Trotz kompetenter Einweisung durch einen weiteren Nachbar, für den das Bagger-Fahren im Wortsinne Berufung ist, bekam er es einfach nicht hin, seinen Graben auszuheben, ohne den Rest des Gartens mitzunehmen. Für den Profi-Fahrer war das bloße Zusehen eine Tortur. Nach kurzer Zeit konnte er das Ganze nicht mehr mit ansehen und übernahm selbst das Geschäft. Innerhalb weniger Minuten hatte er viele viele Meter Graben ausgehoben. Wir beobachteten das Ganze eine Weile und fanden, dass das eigentlich recht easy aussah. Der Sohn konnte sich kaum vom Geschehen losreißen und setzte sich vor Aufregung fast auf die Schaufel. Nachdem der Graben in Gänze ausgehoben war, übernahm der Ferienhausherr das Gerät. Er versuchte sich sofort an dem vermaledeiten Baumstumpf und siehe da! Woran wir uns wochenlang vergeblich abgearbeitet hatten, war auf einmal geschehen. Der Baumstumpf gab den rohen Kräften nach und ließ los.
An dieser Stelle hätten wir eigentlich Schluss machen können. Und Schluss machen sollen. Denn alles, was danach folgte, war Mist. Doch man lernt ja erst aus Fehlern. Also lernten wir.
Wo wir den Baumstumpf schon mal beseitigt hatten, hielten wir es für eine gute Idee, den Bagger auch zum Aushub des künftigen Parkplatzes zu nutzen. Damit eine Fläche für Autos befahrbar ist, sollte sie mindestens 30 Zentimeter ausgehoben und dann schichtweise mit Splitt/Kies/Schutt/whatever in unterschiedlichsten Graden der Grob- bzw. Feinheit wieder verfüllt werden. Erst dann könne man die geplanten Rasengittersteine verlegen. Da waren sich Youtube und alle Heimwerkerbeiträge im Internet einig. Also bestieg der Ferienhausherr den CAT 301.7D und legte los. Das Ding ruckelte hin und her. Manchmal beugte es sich – scheinbar ohne jedes Zutun des ahnungslosen Fahrers – gefährlich zur Seite. Ja, als Zuschauerin war ich mir fast jederzeit sicher, dass mein Lebensabschnittsgefährte seinen Abschnitt in meinem Leben in eben diesem Bagger beenden würde. Sobald er über eine kleine Schwelle fuhr, selbst wenn diese nur 0,002 Zentimeter hoch war, kam der Bagger ins Straucheln. Wenn er versuchte, ein paar Meter zu fahren, bewegte sich der Bagger auf seinen Ketten ruckartig vor und zurück, so dass Roman im Inneren mit der Nase beinahe die Füße berührte. Gut, das ist vielleicht etwas übertrieben, aber so ungefähr kommt es hin. Der Sohn, der ursprünglich geplant hatte, die komplette Ausleih-Zeit des Gefährts auf Vaters Schoß zu verbringen, bekam es schnell mit der Angst zu tun. Das Ganze schien auf einmal gar nicht mehr so Bob-der-Baumeister-mäßig zu sein. Ich entschied mich schnell dazu, wenigstens ihn zu retten – seinen Vater hatte ich zu dieser Zeit schon innerlich abgeschrieben.
Nachdem der Mann seinem Abenteuer-Trieb noch ein wenig freien Lauf gelassen hatte, wurde der Feierabend ausgerufen. Morgen würde es weitergehen, sagte er und verschloss den Bagger sorgsam, auf dass ihn niemand stehlen würde.
Und am nächsten Tag? Da ging es natürlich nicht weiter. Es wäre auch zu leicht gewesen. Zwar parkte der Bauherr seinen Hintern noch frohgemut auf dem abgewetzten Bauarbeitersitz, doch bereits beim Umdrehen des Schlüssels scheiterte er. Der Schlüssel ließ sich nicht mehr drehen. Was war passiert? Er kam nicht drauf. Vom Nachbargrundstück kam Nachbar E. (im Folgenden Nachbar 1 genannt) gelaufen, der schon voller Vorfreude auf die kommenden Grabungsarbeiten ebenfalls wieder an die Schaltknüppel wollte. Kurzer Austausch zwischen den beiden Wannabe-Bobs-die-Baumeister und dann war klar, dass Roman den Schlüssel auf relativ normale Art und Weise zu drehen versuchte. An ihm lag es also nicht. Es ging wirklich nicht. Natürlich muss man derlei immer selbst ausprobieren. Nachbar 1 setzte sich also auf den abgewetzten Sitz und probierte selbst. Ging nicht. Er rief den Nachbarn 2 zu Rate. Der setzte sich auf den abgewetzten Sitz und probierte. Ging nicht. Inzwischen war schon – Zufällig? Weil er am Gartenzaun gelauscht hatte? Weil er gerufen wurde, von Gott vermutlich? Man weiß es nicht. – Nachbar 3 erschienen, der sich, ja genau, ebenfalls zunächst hinsetzte und dann auch sein Glück versuchte. Ging nicht. Der Profifahrer vom vergangenen Tag, Nachbar 4 wurde gerufen und setzte sich. Ging nicht. Nachbar 5 nebst Frau fand sich ein. Setzte sich, ging nicht. Die Nachbarn 7 und 8 setzten sich ebenfalls, versuchten den Schlüssel zu drehen. Es ging nicht. Man kam gemeinschaftlich zu dem Schluss, dass es nicht ging. Nachbar 42 (ich hatte inzwischen den Überblick verloren) kam und äugte mit Taschenlampe ins Schlüsselloch. War da was? Er betrachtete mit misstrauischem Blick den Schlüssel und siehe da! Da fehlte was! Ein Teil des Schlüssels war wohl abgebrochen. Wo war es? Im Schloss hoffentlich nicht, denn das würde bedeuten, dass auch etwaige Ersatzschlüssel unnütz waren.
Daran sind mehrere Dinge ganz erstaunlich:
1. Der Schlüssel brach nicht etwa ab, weil er zu grob im Schloss gedreht wurde oder weil er per Hebelwirkung mittig entzwei gebrochen war. Nein, ich glaube, es war die pure Materialermüdung, die auf dem wüsten Geschüttel vom Vortag und von all den anderen Tagen, die der Leihbagger in den Händen Unkundiger verbringen musste, gründete. So brach eine kleine Ecke des Schlüsselbartes einfach ab und verzog sich auf Nimmerwiedersehen.
2. Es hatte ungefähr 15 Menschen gedauert, die allesamt selbst probieren mussten, ob sie die Auserwählten waren, die den Schlüssel drehen konnten. Ja, der verfluchte Schlüssel errang innerhalb einer halben Stunde in Grambin den Mythos eines Schwertes Excalibur. Ich bin sicher, noch in hundert Jahren werden hoffnungsfrohe Jugendliche in unseren Garten pilgern in der Hoffnung, irgendwo einen Schlüssel drehen zu können und somit Ruhm und Ehre für alle Zeiten einzuheimsen.
3. Jeder, wirklich jeder, der sich als Auserwählter wähnte, setzte sich auf diesen piefigen, abgewetzten Sitz, bevor er die Hand ausstreckte. Dazu muss man wissen, der Mini-Bagger hat ungefähr die Ausmaße einer Schuhschachtel und es wäre absolut kein Problem gewesen, einfach mal zum Schloss hinzulangen. Aber nichts da! Die magische Anziehungskraft, die ein solches Gefährt auf vermutlich jeden (jungen) Mann in unseren Breitengraden hat, führte dazu, dass man sich zunächst in die Baggerfahrer-Seele einfinden musste, um sodann vom entsprechenden Thron aus den vermaledeiten Schlüssel zu drehen. Ich muss fast ein paar Tränen vergießen, wenn ich daran denke, wie viele Kleine-Jungs-Träume an diesem Tag in unserem Garten zerbrochen sind.
Letztlich half es nichts. Nachbar 1 musste den Bagger-Vermieter aus seinem Wochenende rufen und ihn um den Ersatzschlüssel bitten. Und mit nur wenigen Stunden Verzögerung schafften es Nachbar 1 schließlich, seinen Graben wieder zuzuschütten und der Ferienhausherr, den künftigen Parkplatz in eine große, staubige Mondlandschaft zu verwandeln. Während man an einer Ecke des Parkplatzes keinen einzigen Schritt nach unten treten musste, sah man nur wenige Zentimeter daneben das Grundwasser. Am Ende des Tages ernteten wir also erneut skeptische Blicke von allen 485 Nachbarn. Einer sprach es dann irgendwann aus: „Hier müsst ihr aber noch nivellieren, oder?“
Wir gaben es zu.
„Da soll doch Recycling rein, oder?“, fragte er weiter.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber wenn ich das Wort „Recycling“ höre, denke ich an Plastikflaschen, die ich in den Wertstoffkreislauf gebe, damit sie zu lustigen Taschen oder sonstwas werden. Vor meinem inneren Auge sah ich also Mehrwegflaschen aller Art in unserer Mondlandschaft.
„Schutt, meinse?“, fragte Roman sicherheitshalber nach.
Der Nachbar nickte vage. „Müsst ihr aber vorher nivellieren.“, wies er noch einmal auf unsere anstehenden Arbeiten hin. Roman gab zu, in der Kunst des Baggerfahrens noch nicht ganz angekommen zu sein. Wir würden es wohl mit Schaufeln versuchen müssen. „Nee, nee, das kann doch Nachbar 4 machen“, sagte der fürsorgliche Nachbar und bedeutete dem Mann mitzukommen. Der trottete folgsam hinter ihm er. Zwei Häuser weiter wurde der Profi-Fahrer vom Vortag einfach eingesackt und mitgenommen. Als er an unserem Grundstück ankam, schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. Sicher eine Respektsbekundung angesichts unserer Leistung, vermuteten wir und grinsten dümmlich. Wortlos stieg der Profi ein und fuhr in die Grube. Innerhalb von fünf Minuten hatte er alles nivelliert. Der Bagger hatte nicht ein einziges Mal geruckt.
Und das Ergebnis? Dachten wir vorher noch, Romans Mondlandschaft wäre im Durchschnitt mindestens 30 Zentimeter tief, wurden wir nun eines Besseren belehrt. Höchstens 15 Zentimeter waren es nun. Den Bagger haben wir trotzdem beiseite gestellt. Wir hängen an unserem Leben. Das Projekt Parkplatz wird also noch einige Wochenenden verschlingen. Wochenenden mit Schaufeln und Körperkraft.
Wer sich mal austoben will, kommt einfach vorbei.
Hihi, du schreibst das so lustig! Ich grinse hier echt in mich rein. War in echt wahrscheinlich nicht ganz so zum lachen ;-). Und herzlichen Glückwunsch zum Strom! Liebe Grüße, Jana
LikeLike
Vielen lieben Dank! Wir können gar nicht aufhören, die Stecker überall einzustecken. Was für eine Freude!
LikeLike