Heute möchten wir zwei Dinge machen. Werbung und Mut. Werbung für liebe Bekannte, die schon geschafft haben, was wir uns bisher nur vorgenommen haben. Ihr Beispiel wiederum soll Mut machen – und zwar allen, die ein Ziel haben und manchmal so sehr an seiner Erreichbarkeit zweifeln, dass sie es gar nicht erst anpacken.
Die „lieben Bekannten“ kennen wir aus dem erweiterten Familienkreis von Roman. Bereits bevor wir unser Ferienhaus in Grambin gefunden und gekauft haben, haben sie uns Tipps gegeben, auf welche Aspekte bei einem Ferienhaus zu achten sind und von ihren eigenen Erfahrungen erzählt. Kai und Ines sind zwei Menschen, die Mut haben und Mut machen. Besonders letzteres findet man gar nicht so oft. Auch uns selbst haben in der Vergangenheit mehr Leute gesagt, dass unser Vorhaben reichlich optimistisch ist (das war nicht die Original-Wortwahl) als Menschen vom Schlag „Packt es an! Was habt ihr zu verlieren? Wir helfen euch.“ Sehr beliebt war auch die Frage „Habt ihr euch das auch gut überlegt?“ – Natürlich nicht! Wir haben einfach ganz spontan ein Haus gekauft und uns verschuldet…
Ich finde das immer schade. Wir wären allesamt stärker, wenn wir uns gegenseitig aufbauen würden statt ständig Warnungen vor Gefahren auszusprechen, die unnötig, weil längst bekannt sind. Was wir zu verlieren haben, steht schließlich auf dem Kontoauszug und das ist gruselig genug.
Doch zurück zu unseren beiden Vorreitern. Ihre Geschichte ist schnell erzählt: 2012 haben sie einen alten Vierseitenhof am Stettiner Haff gekauft. Die vierte Seite gab es nicht mehr, aber ein Bauernhaus, ein alter Stall und eine Scheune auf mehreren Hektar Land boten genügend Platz für… Ja, was eigentlich? Das Bauernhaus war vermietet, die Kühe zu Burgern verarbeitet und in der Scheune wohnte noch der Verkäufer. Verheißungsvoll war eigentlich nur das riesige Land, wo man dem Getreide beim Wogen und den Bäumen beim Wachsen zusehen konnte. Dass aus dem Bauernhaus mal ein exklusives Ferienhaus werden würde, konnte damals keiner ahnen. Doch manchmal kommt es eben anders als erwartet. Die Mieter zogen aus, der Verkäufer machte sich ebenfalls auf zu neuen Ufern. Und auf einmal gab es ganz viel Raum. Und wenn man so viel Raum hat, fängt man gerne mal an zu träumen. Zum Glück haben Ines und Kai es nicht beim Träumen belassen. Sie schlüpften in ihren Blaumann und legten los. Zuerst wurde das alte Bauernhaus von den innenarchitektonischen Freveln der vergangenen Jahrzehnte befreit. Ich weiß nicht, was das für eine Ära war, in der man dachte, dass Dielenboden doof, aber Linoleum auf Spanplatte richtig toll ist. Dem Einrichtungsgott sei Dank, ist diese Zeit vorbei. Heute kann man im Haus jedenfalls schönste Dielen betreten und sich an ihrem lauschigen Knarren ergötzen. Die Spanplatten-Linoleum-Monstrosität hatte keine Chance gegen unsere wackeren Sanierer. Auch die alten Aluminium-Leitungen, die Rohre, die Tapeten, ja, im Prinzip wurde alles heraus gerissen – pardon, entkernt. Nachdem das alte Bauernhaus somit bar allen modischen Abwegigkeiten vor ihnen lag, fingen sie an, es voller Liebe zum Detail wieder aufzubauen.
Wenn man heute das Haffhaus betritt, gelangt man durch eine schöne Diele, von der aus die alte Stiege ins Obergeschoss führt, in eine traumhafte Küche. Die Leitungen liegen allesamt über Putz und beschwören zusammen mit den Bakelitschaltern – deren schrammeliger Chic vermutlich ein Vermögen gekostet hat – den Charme von einst herauf. Überall findet man liebevolle Details: hier ein alter gusseiserner Heizkörper, dort eine Kuhstalllampe. Das Mobiliar ist eine Mischung aus Retro und Moderne.
Man fühlt sich wahrlich hineinversetzt in eine Ausgabe von Mein schönes Landhaus. Mindestens sollte Schöner Wohnen hier einmal vorbeischauen. Insgesamt können sich hier sechs Personen in drei Zimmern wohlfühlen. Jedenfalls wenn sie die Einsamkeit lieben, denn Ahlbeck liegt ein wenig vergessen am Ende der Welt bzw. des Stettiner Haffs. Und ganz am äußeren Rand dieses Endes der Welt liegt das Haffhaus. Keine Straßenlaternen weisen den Weg, wenn man nachts von der Hauptstraße in den kleinen Schotterweg einbiegt. Dafür ist es hier auch so dunkel, dass man die Sterne sehen kann. Mal ehrlich: wann hat der gemeine Großstädter das letzte Mal das Sternenmeer über sich bewundern können?
Wenn man mit Ines und Kai über die Sanierung spricht, bekommt man selbst Lust loszulegen. Ein Beispiel: bisher waren wir beide uns völlig sicher, dass wir die Erneuerung der Elektrik einem Profi überlassen. Dann dauerte es nur eine Tasse Kaffee, während der Kai schilderte, wie er selbst vorging, und schon war man überzeugt, das auch zu können. Ein bisschen so, wie wenn man ein Video-Tutorial einer bekannten Baumarktkette ansieht. Da ist das immer so zusammen geschnitten, dass man denkt, oh, das ist leicht, das dauert nur zwei Minuten und man kriegt es easy alleine hin. So ungefähr fühlt sich auch ein Gespräch mit Kai an. Natürlich war es für die beiden auch nicht immer nur schön während der Sanierungsphase. Ines hat ungefähr einen Monat lang nur gelbe Fenster geschrubbt, die danach weiß waren. Sie haben monatelang schwarz lackierte Fachwerkbalken von Farbe befreit und nachdem sie alle Styroporplatten von den Decken geholt hatten, waren ihre Arme taub von der Arbeit. Das ist es, was man sich immer bewusst machen muss: es dauert lange! Viel länger als gedacht. Dabei darf man nicht schlappmachen, nur weil auf einmal der Putz von den Wänden fällt. Für die Sanierung des alten Bauernhauses brauchten die beiden fast zwei Jahre und haben dabei jeden Urlaub, jedes Wochenende und jede abgebummelte Überstunde in das Haus gesteckt.
Am Ende haben sie auch die Außenanlagen auf Vordermann gebracht. Heute gibt es dort statt hüfthohem Unkraut eine Obstwiese für alle, eine Sauna für die Frierenden und eine Sitzecke für die ruhebedürftigen Gäste.
Insgesamt hatten Kai und Ines folgende Erkenntnisse aus ihrer Sanierung gezogen, die wir an euch weitergeben wollen:
- Es dauert immer länger als man denkt. Das sagte ich schon. Man kann es nicht oft genug sagen. ES DAUERT IMMER LÄNGER ALS MAN DENKT.
- Macht es ordentlich! Wenn ihr sanieren müsst, saniert gleich alles, was in den nächsten Jahren anfallen würde. Sonst muss man in ein paar Jahren wieder ran und dafür die mühsam aufgeklebten Fliesen ebenso mühsam wieder entfernen. Das sollte man sich ersparen.
- Billig kann jeder. Die meisten von uns, die selbst ab und an Urlaub in Ferienhäusern oder -wohnungen machen, kennen das: oft wird das abgelegte Mobiliar aus Omas Altersheimwohnung in die Ferienwohnung gestellt. Abgewetztes Polstersofa und Kacheltisch sollen dann Urlaubsatmosphäre verströmen. Dafür kann man dann allerdings nur zehn Euro pro Nacht nehmen, das muss jedem klar sein.
- Richtet euer Ferienhaus genauso ein, wie ihr es selbst gern hättet. Spart nicht an liebevollen Details, denn diese sind es, die am Ende den Unterschied zwischen „ganz okay“ und „es war so schön, dass wir nie wieder weg wollten“ ausmachen.
- Habt keine Angst! Ihr habt noch nie Elektroleitungen verlegt? Noch nie gefliest? Noch nie tapeziert? Für alles gibt es superschlaue Anleitungen im Internet bzw. für die, die es oldschool mögen, Fachbücher. Bei allem, was potentiell sicherheitsgefährdend ist (Stichwort Elektrik), muss am Ende ohnehin ein Profi die Abnahme machen.
Für uns persönlich ist der letzte Punkt der wichtigste. Auch wir lassen uns oft zu schnell ins Bockshorn jagen. Nun werden wir uns wohl tatsächlich selbst an die Elektrik wagen. Momentan haben wir ein Angebot eines Elektrikers über rund 10.000,- EUR und das können wir durch Eigenleistung erheblich reduzieren. Bei Gelegenheit berichten wir dann über unsere Erfolge. Hoffentlich.
Ines und Kai haben im Haffhaus so gut wie alles selbst gemacht. Man sieht auch, dass dabei keine Kosten gescheut wurden. Metrofliesen, schöne Farben und ein besonderes Mobiliar kosten so einiges. Sicherlich haben sie mehr ausgegeben als wir das können. Dennoch kann fast jeder ein Haus sanieren und zum einladenden Ferienhaus gestalten. Klar, die Basis – das Haus! – sollte da sein bzw. gekauft werden können. Und ein wenig Geld zum Sanieren und für die Möbel sollte auch da sein. Aber sehr, sehr viel Geld kann man durch Eigenleistung sparen. Man muss ein wenig Geschick, Willen zum recherchieren der Vorgehensweise und, ganz wichtig, Geduld mitbringen. Nicht alles kann sofort gemacht werden. Nicht alles klappt auf Anhieb (Stichwort Glattputz).
Nun war die Geschichte doch nicht so schnell erzählt wie gedacht. Aber genau darum geht es. Man muss durchhalten! Nicht nur beim Lesen oder Sanieren. Nein, auch beim Träumen. Wenn ihr etwas habt, wofür ihr brennt, dann traut euch! Ich weiß, es klingt pathetisch, aber ihr habt nur dieses eine Leben und es will genutzt werden. Ist es nicht unheimlich schade um all die schönen Dinge, die hätten erfunden, geschrieben, gebaut und gegründet werden können aber nicht wurden – weil sich jemand nicht getraut hat?
Und wenn ihr nichts habt, das euch in einem solchen Maße am Herzen liegt, dann unterstützt die anderen! Schenkt ihnen Zuversicht, Zeit, sachliche Hilfe oder Ratschläge. Was ihr eben parat habt.
Auf dass wir alle etwas mutiger werden.
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