Seit gestern haben wir Besuch. Meine Schwester, ihr Lebensgefährte und die beiden gemeinsamen kleinen Kinder sind da. Wir haben ihnen unser Leid geklagt, dass wir aufgrund der eigenen Nachkommenschaft zu nichts kommen. Da dachten sie wohl, es sei eine gute Idee, noch zwei Kids dazuzufügen. Wenn ihr dachtet, oh, es ist bestimmt einfacher, vier Kinder zu bespielen anstatt zwei…. Dann habt ihr Recht! Denn vier bespaßen sich besser gegenseitig. Zumindest unser Sohn geht vollkommen in der Gesellschaft auf.
Mein Schwager hat sich gleich voller Eifer begonnen, das Efeu am Hauseingang abzureißen. Efeu erinnert mich immer an Friedhöfe, ich mag es einfach nicht. Andererseits verlieh es bislang dem Hauseingang eine schöne Farbe – nämlich grün. Nun ist es ganz kahl und trist geworden. Eine neue Begrünung muss her. Wir bevorzugen wilden Wein, weil der im Herbst so schön rot wird. Der muss noch gepflanzt werden. Da meine Schwester einen hellgrünen Daumen hat, wird es ihre Aufgabe sein, sämtliche Außenanlagen zu planen und anzulegen.
In meiner Vorstellung würde sie ihren Aufenthalt hier nutzen, eine schöne Terrasse mitsamt parkartigem Garten anzulegen, den Vorgarten zu gestalten und insgesamt eine Außenanlage zu schaffen, in der wir uns während unserer Sanierungsarbeiten erholen können. Das war wohl etwas illusorisch.
Heute wollte sie erstmal einen Plan machen. Irgendwann wollten wir auch mal einen machen, damit wir halbwegs geordnet an die Arbeiten gehen. Davon hatten wir uns in der ersten Euphorie verabschiedet. Meine Schwester jedoch ist von Berufs wegen Projektmanagerin. Soll heißen, sie rührt nicht den kleinsten Finger, bevor sie nicht einen Projektmanagementplan mit Teilprojekten, Phasen, Budget, Meilensteinen und …nunja…Personal aufgestellt hat. Das Personal konnten wir gleich abhaken, das sind ja wir. Das Budget war auch recht übersichtlich. Die Teilprojekte und Meilensteine jedoch können tatsächlich festgelegt werden.
Madame ließ sich also von uns sämtliche Kleinstarbeiten aufzählen, schrieb sie jeweils auf einen Zettel, die sie sodann an unserer Esszimmerwand festpinnte. Am Ende sah der Plan für das Ober- und Erdgeschoss dann so aus:
Und unser Plan lautet nun wie folgt:
Es gibt – laut Schwester – vier Teilprojekte: Haus allgemein (dazu gehört z. B. das Dach), das Erdgeschoss, das Obergeschoss und die Außenanlagen.
Diese Teilprojekte unterteilen sich in drei Phasen: Abriss, Aufbauten, Einrichten.
Heute haben wir die letzte, die schönste! Phase erstmal außer Acht gelassen. Leider, leider kann man ja erst einrichten, wenn alles ordentlich ist. Darum haben wir uns heute nur mit den Abrissarbeiten und dem Neuaufbau befasst.
Dazu gab es viele Zettel, auf denen jeweils ein Arbeitsschritt steht. Horizontal verläuft die Zeitachse. Alle Aufgaben, die aufeinander aufbauen, stehen also nebeneinander. Arbeiten, die (theoretisch, gäbe es die Personal-Problematik nicht) parallel laufen können, stehen übereinander.
Während wir vor uns hin überlegten, wurde ich unangenehm an meine eigene berufliche Laufbahn erinnert, die mich das ein oder andere mal zwang, mit diversen unternehmensexternen Consultants zusammenzuarbeiten. Dabei wollten einem völlig (Fach-)Fremde immer weiß machen, wie man die eigene Arbeit besser und effektiver gestaltet. So ist meine Schwester auch. Natürlich nicht völlig fremd. Aber sie weiß es immer besser. Im Laufe der Jahre haben wir gelernt, mit diesem geschwisterlichen Konflikt umzugehen… Daher konnten wir auch unser heutiges Brainstorming glücklich hinter uns bringen, ohne danach zum Familientherapeuten zu müssen.
Sind wir nun schlauer? Zugegeben, ein wenig schon. Immerhin haben wir jetzt eine genauere Vorstellung davon, welche Aufgaben wir erledigen müssen, bevor wir andere angehen können. Und wir haben nun schwarz auf weiß – beziehungsweise braun und grün auf orange – wie viel wir zu tun haben. Schweineviel. So viel, dass man fast die Lust verliert, es anzugehen.
Gut, dass wir bereits begonnen haben! Wo stehen wir denn aktuell eigentlich?
Kleiner Zwischenstand: im Obergeschoss haben wir alle Tapeten entfernt. Es sieht also aus wie nach dem Krieg. Das Bad wartet noch auf Entkernung. Heute haben Roman und der Schwager begonnen, die alte Dachgeschossdeckendämmung (was für ein Wort!) zu entfernen. Die soll gemeinsam mit den alten Deckenplatten im Obergeschoss erneuert werden, da diese schon unerfreulich durchhängen. Diese Aktion – oder sagen wir „dieses Aufgabenpaket“ wird noch zwei, drei Tage in Anspruch nehmen. Wer schon mal diese Glasfaserwolle in der Hand hatte, weiß, wie unangenehm es ist. Es juckt in allen Ecken und Winkeln des Körpers. Gut, wenn wir das dazugehörige Zettelchen abkreuzen können! Überhaupt: ich liebe Durchstreichen von to-do-Listen. Wer tut das nicht? Gibt es etwas Befriedigenderes, als darauf die einzelnen Punkte durchzustreichen oder abzuhaken? Wenig. Schon dafür lohnt sich der Aufwand.