Ich könnte heulen. Jetzt gleich, auf der Stelle. Nun ist der Moment eingetreten, vor dem wir uns eigentlich die ganze Zeit so ein wenig gegruselt hatten: wir wissen nicht weiter. Bisher ging eigentlich alles recht glatt mit unserer Laien-Sanierung unseres Ferienhauses. Wir haben vor uns hin gewerkelt, ab und an kam ein bezahlter Profi und hat sein Aufgabenpaket abgeliefert.
Was kamen denn da eigentlich für Profis? Zum einen der wortkarge Fensterbauer: schlecht zu erreichen, immer irgendwie ein bisschen verpeilt und ständig musste man ihm hinterher telefonieren und fragen, wann es denn los gehen würde. Aber er hielt Wort. Wenn er sagte, es geht los, dann ging es auch los. Sicher, man wusste irgendwie nie so genau, was los gehen würde. Wir sind schließlich neu im Sanierungsgeschäft und dachten uns, manche Dinge sind sicherlich komplett klar. Zum Beispiel gesetzliche Grundlagen. Wir haben allen Ernstes erwartet, dass unser angeheuerter Profi von selbst darauf kommen würde, welche Sicherheitsstandards gelten würden – hier sei mal die vorgeschriebene Brüstungshöhe bei Fenstern von 80 cm genannt. Vermutlich kennt er diese Mindesthöhe auch, hielt es aber nicht für nötig, uns darauf hinzuweisen. Die kleinen Kinder, die uns ständig am Leib klebten, schienen für ihn schlicht kein ausreichender Grund für derlei Sicherheitshinweise zu sein. Geliefert wie bestellt, dachte er sich. Die gebotene Brüstungshöhe (Wenn’s jemand ganz genau wissen will: das Mindestmaß beträgt 80 cm, wenn man bis zu 12 Metern abstürzen kann. Ab einer Absturzhöhe von 12 Metern bedarf es einer Brüstungshöhe von 90 cm. Übrigens wird diese Höhe vom höchsten Punkt des fertigen Fußbodens aus gemessen.) ist uns gottlob zufällig noch selbst aufgefallen und der gute Mann bekam die Gelegenheit, seine Fenster noch vor Einbau nachzubessern. Glück im Unglück. Einem einfachen Zufall war dann auch die weitere Gestaltung der Fenster zu verdanken. Wir sagten nicht großartig was („weiß, Kunststoff, dreifach, bitte!“), er fragte auch nicht. Zu unserer Verteidigung: wir wussten es nicht besser. Inzwischen haben wir gelernt, unsere Anforderungen haargenau festgehalten. Nun haben wir also weiße, dreifachverglaste Kunststofffenster und darüber ungefähr 5,2 Worte mit unserem Fensterbauer verloren. Die neuen Fenster sehen ziemlich genau so aus wie die, die vorher drin waren. Nur eben in neu. Im Nachhinein hätten wir mindestens ein Fenster vollkommen anders gestaltet, aber das schreiben wir ab unter „Lehrgeld“.
Danach kam ein Elektriker und wollte sein Angebot abgeben. Das tat er auch, sogar in schriftlich. Ungefähr 10.000,- EUR sollten wir einkalkulieren, aber das könne natürlich auch höher werden, sagte der Mann. Dieser war übrigens kein bisschen maulfaul. Im Gegenteil. Während er uns in Grund und Boden zu quatschen versuchte, ließ er immer mal wieder einfließen, dass gewisse Arbeiten „auch mal teurer“ werden könnten als im Angebot geschrieben. Was denken sich die Leute eigentlich dabei?, schoss mir da zum ersten Mal in den Kopf. Wo bleibt da der Zweck des Angebots, wenn man damit dann doch nicht kalkulieren kann? Wir grätschten also rein in den Nonstop-Redefluss und hakten nach: Wofür? Was wird teurer? Wie viel teurer? Die Antworten waren zwar wortreich, aber eben auch sehr vage. Das lag uns nicht. Also weitersuchen. Der nächste Handwerker, der kam, sollte eigentlich nur mal kurz die Heizungsanlage warten und nutzte die Gelegenheit, sich als Sanitärfachmann ins Gespräch zu bringen. Wir waren gleich angetan von ihm: ein netter, junger, ambitionierter Mann, der genau das richtige Maß an Gesprächigkeit mitbrachte. Sehr sympathisch und das angefragte Angebot kam innerhalb weniger Tage schriftlich angeflogen. Es war allerdings auch saftig. Dennoch: wir hatten uns ja fest vorgenommen, auf die in der Region rege beschäftigen östlichen Landesnachbarn zu verzichten und regionale Handwerkerinnen und Handwerker anzuheuern. Am liebsten hätte ich meinem Feministenherz was Gutes getan und ausschließlich weibliche Profis ins Haus geholt. Die waren aber einfach zu rar. Und die wenigen, die die Gelben Seiten hergaben, waren zu beschäftigt, obwohl ich sie natürlich ganz nach oben auf meine Telefonische-Anfrage-Liste schrieb. Also machte der freundliche junge Mann das Rennen. Er sollte sich zunächst um die Erneuerung der Wasserleitungen und Heizungsrohre und -körper kümmern und zu einem späteren Zeitpunkt um die Installationen im oberen Bad. Was für ein Glück, dass der Mann kein Einzelkind war. Nein, er hatte einen Bruder, der selbständiger Elektriker war. Ha! Glück muss man haben!, dachten wir und ließen auch den Bruder ins Haus, auf dass er sein Angebot für die Erneuerung der kompletten Elektroinstallation mache. Auch den Handwerksbruder schlossen wir ins Herz. Ich hatte ja schon einmal erwähnt, dass es mir aus irgendwelchen Gründen wichtig ist, dass die Leute, denen ich Geld geben muss, mir auch sympathisch sein müssen. Zwar etwas wortkarger als sein Bruder, war er doch stets pünktlich und telefonisch gut zu erreichen. Vom Fensterbauer hatten wir gelernt, dass das gar nicht so trivial ist. Wir wissen nicht, welcher der ältere Bruder und welcher der jüngere Bruder ist, drum werden wir sie fortan übrigens in der Reihenfolge ihres Auftretens bei uns durchnummerieren.
Da wir aus inzwischen bekannten Gründen in unseren Sanierungsarbeiten nur sehr langsam voran kommen, dauerte es eine ganze Weile, bis wir das Haus soweit vorbereitet hatten, dass Bruder 1 zu Werke gehen konnten. Zwischenzeitlich hatten wir uns einmal fast entzweit, als ich ihn bei einem Besuch darauf hinwies, dass ich um eine kurze Nachricht bitte, wenn man Termine nicht einhalten kann. Das war zuviel fürs Handwerkergemüt. Offenkundig ist es in diesem Gewerbe eine Frage der Ehre, unpünktlich zu sein. Und Fragen der Ehre dürfen nicht angezweifelt werden. Tatsächlich wies er uns wenig subtil darauf hin, dass wir gerne anderswo unser Glück suchen könnten, damit allerdings wenig erfolgreich sein würden. Seine Branche sei schließlich ungeheuer gefragt! Wir sollten uns also bitteschön etwas dankbarer zeigen, so die unausgesprochene Message. Erneut gab ich mich kurz der Überlegung hin, was die Leute sich eigentlich denken… Natürlich habe ich für solche Ansagen wenig übrig und wollte gerade anfangen richtig loszupöbeln, als Roman mir seinen Ellenbogen schmerzhaft in die Rippen stieß und ich kurz vor Schmerz nach Luft schnappen musste. Mein Keuchen hielt Bruder 1 wohl für Einlenken in seine Argumentation und fuhr mit seinem Auftrag fort. Natürlich dauerte es dann doch noch ein MOMENTCHEN länger als vereinbart bis seine Auftragslage es zuließ, den unsrigen zu bearbeiten. Und wisst ihr, was ich echt interessant (und damit meine ich UNVERSCHÄMT) finde? Man wartet und wartet und wartet auf die Handwerker, dann führen sie ihren Auftrag aus und nur Minuten nach dessen Beendigung kommt die Rechnung, die natürlich SOFORT fällig ist. Sofort? Nochmal: was denken sich die Leute eigentlich? Nachdem man wochenlang warten musste? Darüber kann ich mich schon ein wenig aufregen. Egal. Bruder 1 machte seine Arbeit – soweit wir das beurteilen können – ordentlich und wurde selbstverständlich auch zeitnah bezahlt. Und das, obwohl ich eigentlich mindestens bis zur ersten Mahnung warten wollte. Einfach so. Aus Prinzip! Roman sagte mir aber, dieses Prinzipienhafte sei eine Charakterschwäche meinerseits und drückte mir auffordernd die TAN-Liste in die Hand. Manchmal muss man wohl um des lieben Friedens Willen auch nachgeben.
Tja, und dann? Dann sollte eigentlich Bruder 2 auf den Plan treten. Und dieser Bruder 2 ist es nun, der mir das Wasser in die Augen treibt. Letzte Woche sollte er ja eigentlich starten. Das Haus ist vorbereitet. Die Schlitze sind zum größten Teil gezogen, alle Möbel beiseite geräumt und im Keller haben unsere lieben Ferienhauskollegen vom Haffhaus die letzten Bakelit-Verteiler abmontiert. Es gibt also keinen Strom mehr im Haus. Und ohne Strom gibt es weder Heizung noch warmes Wasser. Auch der Kühlschrank ist abgetaut. Und selbstredend funktioniert auch der TV nicht mehr. Also keine PawPatrol, keine zehn Minuten Ruhe. Womit ich sagen will, dass ein Leben auf der Baustelle vorübergehend nicht mehr möglich ist. Wir instruierten also die Nachbarn zwecks Schlüsselübergabe an Bruder 2 und warteten frohen Mutes. Und warteten. Und warteten. Die Mitte der Woche verstrich. Das Ende der Woche näherte sich. Keine Nachricht von Bruder 2. Endlich, am Freitag erreichten wir ihn. Bedauerlicherweise müsse er uns mitteilen, dass er vorerst nicht tätig werden kann. Aha. Er hat einfach zu viel zu tun. Hmja. Er wolle auch ehrlich sein, uns sei schließlich nicht damit geholfen, wenn er seine Arbeit in der kommenden Woche ankündigte und dann nicht auftauche. Da hatte er ausnahmsweise mal einen Punkt. Ich meine, ganz ehrlich: „wtf?“ Oder besser gesagt: Sch**ß*! Aber, ach komm, meine Leserschaft ist ja noch sehr, sehr klein, darum muss ich mich eigentlich nicht zensieren. Also: Was zur verfickten Hölle denkt der verfluchte Typ sich eigentlich? Wie sein großer oder kleiner Bruder es ja so schön betonte: wir finden ja ohnehin keinen kurzfristigen Ersatz. Wir sind also vollkommen auf ihn angewiesen. Gott, wie ich es hasse, auf jemanden angewiesen zu sein. Das gibt mir das gleiche Gefühl wie ich es manchmal in der Kita der Kinder habe. Immer, wenn ich vor Wut wegen kurzfristiger Notöffnungszeiten oder sonstigen Ärgernissen platzen will, dann muss ich mich fast übermenschlich zusammenreißen, denn: es gibt ja keine Alternative. Ich könnte mich natürlich auch in das Heer der verzweifelten Kita-suchenden Eltern einreihen, aber das verträgt weder mein Nervenkostüm noch das meiner Kinder. Also halte ich den Mund und sage: „Hmmm, hmmm. Ja, schade eigentlich.“
Etwaige mitlesende Erzieher/innen meiner Kinder könnten an dieser Stelle möglicherweise anmerken, dass ich mich dann doch nicht immer zusammenreiße, aber hey, ich bin halt auch nur ein Mensch. Verzeiht.
Meine Erinnerung an das Telefonat mit Bruder 2 ist (zum Glück?) nur noch verschwommen, was ich dem tiefsitzenden Schock zuschreibe. Ich bin dennoch zuversichtlich, dass ich nicht allzu sehr ausgerastet bin. Nicht so sehr jedenfalls, wie mir zu Mute war. Wenn Bruder 2 wüsste, was seine Terminverschiebung bedeutet! Aber vermutlich weiß er das. Vielleicht heulen andere enttäuschte Kunden einfach los. Vielleicht hätte ich das auch tun sollen und hätte so sein Herz soweit erweichen können, dass er seine anderen, wichtigeren Termine wegen mir absagt. Wenn du das hier liest, Bruder 2, dann wisse, dass wir alle weinen. Alle! Sogar Roman und dessen Herz hat ungefähr die Größe einer halben Haselnuss. Nun hoffen wir, dass Bruder 2 wenigstens seine Ankündigung, den Auftrag in drei Wochen auszuführen, wahr macht und dann nicht gänzlich absagt. Wenn es dazu kommt, kann ich für nichts garantieren. Ich fürchte, dann muss ich hier echte Namen nennen und Schlimmeres.
Nun denkt ihr euch, wir sollten wenigstens versuchen, eine Alternative zu Bruder 2 zu finden. Haben wir natürlich umgehend versucht. Wir wurden diverse Mal von diversen Kollegen der Brüder ausgelacht. Har, har, sagten sie und versprachen großzügig, unseren Auftrag für Dezember in Erwägung zu ziehen. Alles klar. Bis ich also einen neuen Profi finde, muss ich vermutlich selbst eine Ausbildung zur Elektrikerin machen. Das geht vielleicht auch schneller.
Überhaupt, das ist die Message dieses Beitrages: ratet eure Kinderlein von diesem ätzenden Studieren ab. Die sollen Ausbildungen machen! Im Handwerk, in welchem auch immer. Handwerk hat goldenen Boden, sagt man doch. Das mag für die Handwerker selbst auch stimmen. Für die Kunden bedeutet es nur allzu oft, dass Handwerk ihnen den Boden unter Füßen wegzieht.
Sollte also jemand einen gelangweilten Elektriker kennen, führt ihn zu uns! Es gibt Kaffee, Kuchen und Schlitze.
Ihr weint, ich lache und das, ganz herzlich! 🙂 Kopf hoch…alles andere macht kaputt. In jedem Fall danke für diesen Beitrag 😉
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Ach, lieben Dank für deine Worte. Ich wünschte, wir hätten so geschickte Verwandte, wie ihr sie offenbar habt. Vielleicht können sie zu uns kommen, wenn sie bei euch fertig sind…?
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