Seit unserem letzten Eintrag ist schon wieder eine ganze Weile vergangen. In der Zeit waren wir nicht untätig. Im Gegenteil. Wir sind derzeit an so vielen Fronten tätig, dass es langsam in Stress ausartet. Es ist ja grundsätzlich ein einziges Gehetze zwischen der heimischen Wohnung, Arbeit und Kindergarten. Dann müssen wir am Wochenende nicht nur das Ferienhaus sanieren, sondern versuchen auch noch, ab und an unsere Familien zu sehen – mindestens, wenn ein Geburtstag oder eine andere Feierlichkeit ansteht. Und wenn man das bei all den Terminen mal für eine halbe Stunde auf die Couch schafft, dann hockt man da wie festgenagelt. Tja, und so kommt es, dass ich keine einzige Sekunde hatte, um hier etwas niederzuschreiben. Aber ich gelobe Besserung (Verlasst euch aber besser nicht darauf…).
Was also ist passiert?
Die letzten Arbeitswochenenden war Roman mal wieder ohne Familienanhang im Ferienhaus. Er wurde stattdessen von seinen beiden Freunden begleitet, die nun schon fast Bau-Routine entwickelt haben. Sie haben sich an das Schlitzen der Kabelverläufe gewagt und sind dabei auch ganz gut zurecht gekommen. Mit der Mauernutfräse ging es wohl ganz gut. Besser jedenfalls als mit deren großer Schwester, der Mauersäge. Es ging so lange gut, bis die Mauernutfräse – im Folgenden MNF genannt – plötzlich und ohne jede Vorwarnung ihren Geist aufgab. Einfach so ausgegangen. Ohne Pips und Gedröhne. Und sie ging auch nicht mehr an. Allerdings muss ich wiederholen: ich war ja nicht dabei. Es ist durchaus möglich, dass ICH sie wieder zum Laufen gebracht hätte. Roman gibt in aller Regel zu schnell auf. Auch die Mauersäge hatte bei ihrem damaligen Einsatz zwischendurch gestreikt. Während Roman damals schon wieder einpacken und in den Feierabend starten wollte, gab ich ihr einfach ein paar Minuten Ruhe, redete ihr gut zu und drückte einfach auf so einen kleinen roten Knopf, der etwas versteckt an der Unterseite angebracht war – offenbar genau für solche Momente der Geräteverweigerung. Roman konnte natürlich nicht ahnen, dass dieser kleine rote Knopf existierte. Er hatte ja schließlich nicht die Bedienungsanleitung gelesen. Im Gegensatz zu mir. In solchen Situationen kann man dann ziemlich gut den Bauarbeiter-Profi geben. Und das tat ich damals selbstverständlich mit Vergnügen. Ich wies ihn auch höchstens 20 oder 30 Mal darauf hin, dass ICH die Maschine wieder zum Laufen gebracht hatte. Zu gerne hätte ich diese Szene wiederholt – schon allein, um meinen Lebenspartner ein für alle Mal in die Schranken zu weisen – aber leider ist mir diese Gelegenheit nicht vergönnt gewesen. Stattdessen wurde die bedauernswerte MNF dem Reich des Todes – sprich: des Elektroschrottes – überantwortet. Die Trauer würde sich vielleicht in Grenzen halten, wäre sie nicht nur eine Leihgabe gewesen. Roman musste die Nachricht also auch noch den eigentlichen Besitzern der MNF überbringen. Da so etwas auch mal länger dauern kann, kaufte er kurzerhand im Baumarkt ein neues Gerät, welches wir dann weiterreichen können. In Kürze werden wir dann wieder einen kleinen Papierkrieg mit unserer Haftpflichtversicherung führen….
Aber das Ergebnis zählt. Und das Ergebnis ist, dass wir nun in fast allen Zimmern die Schlitze für unsere neue Kabel gezogen haben. Nur das Zimmer, in dem wir hausen, äh, uns vorübergehend wohnlich eingerichtet haben, ist noch unversehrt. Da der Elektriker erst Anfang Mai vorbei kommen kann, heben wir uns dieses auch bis zum bitteren Ende auf.
Auch im Garten hat sich einiges getan. Zunächst hat der Ferienhausherr mit seinen Kumpanen mehr oder weniger auf dem künftigen Parkplatz gewütet. Dieser war ja mit einer riesigen Eibe und mehreren anderen Nadelbäumen, deren Gattung ich nicht kenne – komplett zugewachsen. Nun haben die Herren dort ihre Kräfte erprobt. Als der Mann nach Hause kam, sagte er, alle Bäume seien entfernt worden, mithin ich mir eine glatte, ebene, leere, Fläche vorgestellt habe – bestenfalls ordentlich geharkt. Das war natürlich etwas zu viel erwartet. Als ich an diesem Wochenende das Ergebnis erstmals besichtigen durfte, sah ich folgendes Bild:
Der künftige Parkplatz befindet sich übrigens links vom Haus. Er sieht nun aus wie verwundet, ganz voller Stümpfe und altem Gestrüpp. Es befindet sich auch immer noch eine erkleckliche Anzahl Büsche auf der gar nicht mal so ebenen, leeren Fläche. Da müssen wir also noch nacharbeiten. An diesem Wochenende ist der Gestrüpp-Haufen auch noch einmal um ein paar Meter gewachsen: unsere Magnolien sind weg!
Ein halbes Jahr und mehrere erfolglose Versuche, Termine mit Interessenten zu vereinbaren, hat es gedauert. Aber nun ist es geschafft. Wir hatten sie ja in den Kleinanzeigen angeboten: gegen selbständiges Ausgraben und abtransportieren wollten wir sie verschenken. Am vorletzten Wochenende wurde zunächst der kleinere der beiden Bäume abgeholt. Wenn man den Erzählungen glauben darf, war das eine eher unkomplizierte schnelle Geschichte. An diesem Wochenende hatte sich nun ein Berliner Paar angekündigt, den zweiten (weitaus größeren!) Baum abzuholen. Als sie ankamen, war die Magnolie wirklich prachtvoll anzusehen. Ihre weiß-violetten Blühten leuchteten wie der Frühling persönlich und ab und an schwebte ein seidenes Blütenblättchen zur Erde. Sie hatten also genau die zwei Wochen erwischt, in denen eine Magnolie schön aussieht, bevor sie irgendwann anfängt, mit nicht zu ignorierender Penetranz vermodernde braune Blütenblätter abzuwerfen.
Kein Wunder, dass die beiden zunächst bewundernde Blicke zu dem Prachtstück warfen, bevor diese sich in leise Besorgnis wandelten. Der Interessent – nennen wir ihn Birk – umkreiste abschätzend den riesigen Baum und kam zu dem Schluss, dass die Krone circa fünf bis sechs Meter groß sei. Höhe, Umfang? Man weiß es nicht. Auf jeden Fall zu groß und ausladend für den mitgebrachten Anhänger. Man versuchte also zunächst, die mächtige Krone mit Gurten zum Zusammenrücken zu bringen. Das gelang so semi-gut. Nachdem wir die Schnüre irgendwo auf Mannshöhe um den Baum legten und dann buchstäblich den Gürtel enger schnallten, gelang es uns tatsächlich, den Umfang der Krone um ein winziges Bisschen zu verringern. Ungefähr eine halbe Stunde widmete sich das Berliner Paar diesem Unterfangen – halbherzig unterstützt durch uns, die wir den Baum schließlich mühelos loswerden wollten. Als das nichts brachte, entschieden Birk und seine Gefährtin sich, den Baum zu halbieren. Dazu muss man wissen, dass die Pflanze im Laufe ihres Lebens vier Haupttriebe ausgebildet hatte, die nun zwar immerhin unterschiedlich dick, aber allesamt recht mächtig waren. Die beiden schmalsten Stämme sollten geopfert werden. Kurzerhand griff Birk zur schicken Markensäge und halbierte den Baum bzw. kappte die beiden unerwünschten Triebe – die nun in aller Pracht zu Boden segelten. Um die beiden anderen Stämme wurde ein Abschleppseil gewunden und dieses an die Anhängerkupplung gehängt. Dann ging es auch schon los. Innerhalb von wenigen Sekunden ging nun zu Boden, was Jahre zum Wachsen gebraucht hatte. Die Magnolie fiel und wir wähnten uns alle schon kurz vorm Ziel. Aber auch im Liegen war sie noch hartnäckig. Wir wissen nun, dass es auch Flachwurzlern wie der Magnolie an Widerstandsfähigkeit nicht mangelt. Die Männer (Roman hatte sich der Zeitersparnis wegen nun doch zu aktiver Hilfestellung hinreißen lassen) schoben den Baum hin und her in der Hoffnung, eine Position zu finden, in der er per Abschleppseil komplett aus dem Boden zu entfernen wäre. Zu diesem Behufe wurde sogar eine der umliegenden Tannen abgeschleppt/gefällt/aus dem Boden gerissen. Die sollte zwar ohnehin weg, aber wir hatten das Projekt noch bis zum Sanktnimmerleinstag verschoben. Jetzt war die Gelegenheit günstig und wir nutzten sie. Ich wollte gerade ins Haus laufen, die Kamera holen und das Ganze instagram-tauglich festhalten. Aber als ich wieder nach draußen kam, war alles schon geschehen und die Tanne leistete der Magnolie Gesellschaft. Für uns war das toll, für die künftigen Magnolien-Besitzer völlig umsonst. Auch trotz besserer Abschlepp-Position war mit dem Auto nichts zu machen. Die gute alte Handarbeit war gefragt. Birk griff zum Spaten und schaufelte mit beeindruckender Kraft und Geschwindigkeit Erdreich beiseite. Wenn der Spaten auf Stein traf, fluchte er leise vor sich hin: „Wieder so ne olle Klamotte.“ Unsere Leserinnen und Leser, die nicht aus dem Berlin-Brandenburger Raum kommen, geht es nun vielleicht ähnlich wie dem Ferienhausherrn: Was ist eine Klamotte? (Lösung: ein Stein natürlich.) Mit meinem lieben Roman ist es manchmal recht spaßig. Da Deutsch für ihn nicht Muttersprache ist, hat er mit Redewendungen oder auch mit besonders dialektisch gefärbten Vokabeln seine Schwierigkeiten. Auch die „Klamotte“ stellte ihn vor sprachliche Probleme. Immer, wenn Birk also fluchte, wurden die Furchen auf Romans Stirn vor Verwirrung tiefer. Warum lag Kleidung in der Grube? Und während selbige Klamotte einen sanften Bogen beschreibend hinter ihn fiel, konnte ich Romans hübschem Gesicht ansehen, dass er seine Verständnislosigkeit mit jedem Stein mehr hinnahm und irgendwann als Gegebenheit ad acta legte. Dank Birks rasender Geschwindigkeit dauerte es nicht lange, bis die Magnolie letztlich doch dem Boden entrissen werden konnte. Hier noch ein Ast weg, da noch ein paar Zweige abgeschlagen und zu guter Letzt landete nur ein Bruchteil des ursprünglichen Baumes auf dem Hänger. Als die letzten Schweißtropfen abgetupft wurden, verschwand auch die Sonne hinter den Wolken.
Unser Garten ist nun furchtbar kahl und von allen Nachbarn perfekt einsichtig. Nichts mehr mit nackig umherlaufen. Aber das haben wir ja ohnehin nur höchst selten praktiziert, von daher können wir wohl zumindest vorübergehend damit leben. Zum Ausgleich haben wir auch gleich zwei neue Bäumchen geholt. Ein Aprikosenbaum und ein Pflaumenbaum zieren nun unseren Hinterhof. Laut Artikelbeschreibung haben sie auch gar liebliche Namen: die Aprikose heißt Nancy und der Pflaumenbaum Der alte Graf. Das müssen wir uns dringend merken, wir wollen sie schließlich nicht falsch ansprechen. Nancy und der alte Graf werden hoffentlich in spätestens zwei, drei Jahren so weit sein, dass sie im Sommer ein wenig Schatten spenden und im Spätsommer und Herbst unsere kleinen Gäste mit köstlichem Obst versorgen.
Ach, schon die Vorstellung davon, wie die beiden in einigen Jahren aussehen werden, zaubert mir ein Lächeln aufs Gesicht. Meine ersten beiden eigenen Obstbäume. Das ist doch schon fast so etwas wie, ja, wie eine Plantage, oder? ODER?