Und weiter geht es im Dschungel der Corona-Erlasse. Während die Kanzlerin noch die Eröffnungsdiskussionsorgien (sie muss mein Faible für zusammengesetzte Substantive teilen) bemängelt, sehen wir statt Orgien nur Verzweiflung. Während wir am 18. April noch durchdrehten, weil trotz „gemeinsamer deutscher Linie“ jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kochte und in unserem Fall Mecklenburg-Vorpommern alles, was nach Tourismus roch, noch kategorisch ausschloss, gab es nun für viele ein Licht am Ende des Tunnels. Wir selbst stehen trotz Licht allerdings immer noch mitten im Tunnel, wenn ihr versteht, was ich meine. Frau Schwesig beugte sich zwar dem Druck der Tourismus-Lobby, wurde dabei aber eben vermutlich nur von den großen Hoteliers und nicht von kleinen gewerblichen, insbesondere aushäusigen, Ferienhausbesitzerinnen und -besitzern bedrängt. Anders lässt es sich kaum erklären, dass diese nicht in den geplanten Phasen der „Wiedereröffnung des sicheren Tourismus“ erwähnt werden.
Ich stelle euch diese fünf Phasen gerne vor. Phase 1: Vorsichtiger Einstieg in einen sicheren Tourismus. Dies bedeutet, dass Zweitwohnsitzbesitzer wieder in ihre Zweitwohnsitze dürfen und Dauercamper mit 1. Wohnsitz in MV auf ihren Dauercampingplatz. In Phase 2 soll die Gastronomie wieder vorsichtig eröffnet werden. Phase 3 bedeutet den natürlich ebenfalls „vorsichtigen“ Einstieg in den Übernachtungstourismus – allerdings nur für Einwohner Mecklenburg-Vorpommerns mit 1. und 2. Wohnsitz dort. In Phase 4 dürfen dann auch wieder Bewohner anderer Bundesländer beherbergt werden, während uns in Phase 5 das Happy End des Tagestourismus blüht. Hier dürfen dann auch wieder Bürgerinnen und Bürger anderer Staaten einreisen und die „neue Normalität“ genießen, was auch immer das bedeutet. Wann die verschiedenen Phasen in Kraft treten, weiß aktuell niemand. Sie hängen von den aktuellen Fallzahlen der Pandemie ab.
Fun Fact am Rande: In Phase 1 werden die genannten Zweitwohnsitzbesitzer noch als Touristen gewertet. In Phase 3 werden sie dann zu Bewohnern Mecklenburg-Vorpommerns aufgewertet, was es ihnen ermöglicht, im Bundesland auch außerhalb ihres Zweitwohnsitzes zu urlauben. Nunja. Für mich hat das ein wenig Geschmäckle, aber ich bin zugegebenermaßen auch durch die letzten Wochen äußerst voreingenommen. Ich hatte die Inhaberinnen und Inhaber eines Zweitwohnsitzes noch nie als Touristen gesehen. Schließlich haben sie sich entschieden, für eine gewisse Zeit des Jahres mit Sack und Pack an einem festen Ort eine zweite Heimat zu erschaffen. Brav zahlen sie ihre Steuern, die teilweise erklecklich ausfallen. Nachdem sie nun über einige Wochen von ihrem Eigentum ausgeschlossen wurden (Darf man in diesem Fall das Wort „Enteignung“ aussprechen? Oder wird einem dann sogleich wieder Beihilfe zum Mord unterstellt, weil man die Grundrechte zumindest neben und nicht unter den Maßnahmen zur Eindämmung eines potentiell lebensgefährlichen Virus sieht?)
Egal, dieses Thema ist für uns ein Nebenschauplatz, denn wir haben ja keinen Zweitwohnsitz dort, sondern wollen das Haus ausschließlich zur Gewinnerzielung nutzen, wie es steuerlich so schön formuliert wird. In unserem Fall fragt man sich also nun, wann eigentlich die Besitzerinnen und Besitzer von Ferienhäusern oder -wohnungen wieder einreisen dürfen, die keinen Zweitwohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern haben? In Phase 1 werden sie nicht erwähnt. Phase zwei geht auch über sie hinweg. In Phase 3 dürfen sie allerdings schon wieder an die Einwohnerinnen und Einwohner von Mecklenburg-Vorpommern vermieten, so dass sie irgendwann zwischendrin schon einmal vorbeikommen müssten, oder? So eine Ferienbehausung lüftet, putzt und vorbereitet sich nicht alleine, oder?
Auf den Seiten des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommerns gibt es eine von mir vielfrequentierte Seite: die FAQ. Regelmäßig aktualisiert, geben sie einen kleinen Leitfaden des Erlaubten bzw. vielmehr Nichterlaubten. Offenbar gibt es innerhalb der Regierung Mecklenburg-Vorpommerns nur sehr wenige Ferienhausvermieterinnen und -vermieter. Die haben vermutlich alle lukrativere Nebenjobs. Auf jeden Fall glaubt man dort tatsächlich, dass sich die Saison von alleine vorbereitet, denn: „Die Einreise zur Durchführung von Reparatur- und Renovierungsarbeiten an Vermietungsobjekten wie Ferienwohnungen und -häusern ist grundsätzlich nicht erlaubt.“, heißt es in diesen FAQ.
Zusätzlich bekam ich gestern ganz überraschend eine E-Mail vom Referenten der Ministerpräsidentin von MV. Diese Mail bezog sich auf eine Anfrage, die ich dort vor sechs Wochen gestellt hatte. Herr Stampa teilte mir per Mail nun also ebenfalls mit, dass ich bitteschön meine Meldebestätigung mit mir führen sollte, wenn ich das Bundesland bereise. Zweifellos nett, dass man mir nach sechs Wochen antwortet, schade, dass die Antwort sich nicht auf meine Situation bezieht. Naja, man kann nicht alles haben.
Fassen wir also zusammen: Die Schulen öffnen wieder. Der Einzelhandel öffnet wieder. Man darf seine Großeltern wieder besuchen (Risikogruppe, war da irgendwas? Egal.) Zweitwohnsitze dürfen besucht werden und Campingplätze öffnen wieder. Virologisch betrachtet, ist es aber höchst gefährlich, wenn Hausbesitzer ohne Meldebestätigung das Bundesland betreten. Alles klar. Das ist absolut nachvollziehbar.
Versteht mich bitte nicht falsch. Um die Gesundheit aller Menschen zu schützen, sind zweifellos Maßnahmen nötig. Aber! Diese Maßnahmen sollen dann bitte auch dem Zweck folgen. Sobald die Verbindung ‚Maßnahme – Zweck‘ nicht mehr erkenntlich ist, hat die Maßnahme jede Berechtigung verloren. Ich bin wütend, ihr merkt es schon. Ich wünschte, es würde dem Gesundheitsschutz bei anderen Krankheiten genauso viel Bedeutung beigemessen werden. Wie viel Leid könnte verhindert werden, wenn wir uns z. B. der Lungenkrebsvorsorge genauso engagiert widmen würden! Stattdessen dürfen Produkte, die dem Krebs eindeutig Vorschub leisten, in jedem gottverdammten Supermarkt verkauft werden. Von Teenagern sogar! Tempolimit auf deutschen Autobahnen? Gott bewahre, das würde die Freiheit wahrlich zu sehr einschränken und wenn damit noch so viele Leben geschont würden. Von der Umwelt mal ganz zu schweigen. (Überhaupt die Umwelt! Was wollen eigentlich diese Friday-for-future-Gören alle? Dass wir unser Leben einschränken, nur damit die irgendwann mal eines haben können? Pah, das wäre ja noch schöner!) Wir alle können uns jeden Abend munter Schnaps hinter die Binde kippen, unsere Lebern und Gehirne dabei zerstören oder die eigene Frau im Suff vermöbeln und es wird im Fernsehen sogar noch Werbung für Alkohol gemacht. Da sieht keiner irgendeine Verbindung, ist schließlich ein Genussmittel, jawohl. Weder die besorgte Kanzlerin, die uns neuerdings erklärt, wie wichtig das Händewaschen (zweimal Happy Birthday, bitte!) ist, noch die besorgten Mitmenschen, die in diesen Tagen endlich, endlich mal zeigen dürfen, dass sie auch ein klitzekleines bisschen Macht haben – indem sie das Ordnungsamt rufen. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Eigentlich bin ich gerade zu wütend, um über unsere Baufortschritte zu schreiben. Es gibt ja auch keine Baufortschritte. Damit es nicht so bleibt, haben wir uns trotz aller Vorsätze dazu entschieden, einen weiteren professionellen Handwerker ins Haus zu holen. Einen aus Mecklenburg-Vorpommern natürlich, wir wollen das Land ja nicht unnötig verseuchen…
Kurz bevor uns die Polizei des Hauses und des Landes verwies, hatten wir es geschafft, um unteren Bad eine Wand zu verputzen und die Abwasserrohre mit Anschlüssen zu versehen. Die Bäder waren von Anfang an unsere Angst-Baustelle. Wenn man das Wohnzimmer ruiniert, sieht es einfach nur schrecklich aus. Wenn man die Bäder nicht ordentlich macht, kann man dem Haus jedoch beträchtlichen Schaden zuführen. Wir haben uns daher für das Tece-System entschieden. Das ist ein Kunststoffrohrinstallationssystem, welches recht universell verwendet werden kann, nicht nur für Wasser, sondern auch für Heizung und Gas. Unser Lieblingsbaukollege Kai hatte es uns empfohlen und nebenbei dankenswerterweise auch das nötige Arbeitsgerät zur Verfügung gestellt. Wäre nicht seine Empfehlung schon Grund genug für das System gewesen, hätte uns spätestens die Werbung überzeugt: „Fehlertolerante Behandlung“ heißt es auf deren Webseite. Das ist zweifellos ein Euphemismus für „idiotensicher“ dachten wir uns und kauften ein. Die Rohre waren innerhalb weniger Stunden (Netto-Arbeitszeit, brutto brauchten wir zwei Wochenenden) durchs Haus gezogen. Die Verbindung der einzelnen Rohre gestaltet sich denkbar einfach. Kein Rosshaar und kein komisches Gleitgel – ohnehin eine seltsame Mischung – wird benötigt. Über das Rohr wird eine Druckmuffe gestülpt, dann wird das Rohr mechanisch mit einem speziellen Gerät erweitert und an ein Verbindungsstück angelegt. Mit einem weiteren Gerät wird die Druckmuffe dann über diese Verbindung gezogen und übt, na klar, Druck aus, womit die vorherige Erweiterung wieder rückgängig gemacht wird und Rohr und Verbindungsstück zusammengehalten werden. Das gleiche Prinzip wird auch bei den Wasserhahnanschlüssen verwendet. Das einzige, worauf man achten muss, ist dass man Anschlüsse, Rohre und Verbindungsstücke mit dem korrekten Radius kauft. Natürlich waren auch diese denkbar einfachen Aufgaben mit einigen kleineren Schwierigkeiten gespickt. Die Kunststoffrohre sind recht sperrig und es bedurfte einiger Kraft, wilden Flüchen und erneut aufgeschrammelten Fingerknöchelchen, bis sie durch zu enge Löcher in den einzelnen Geschossdecken und in die richtige Position gebracht wurden. Insgesamt ging es aber ganz gut. Am Ende folgte dann die Dichtigkeitsprüfung. Die hatte es nochmal kurz in sich. Um den kompletten Wasserkreislauf zu prüfen, benötigten wir Prüfer in drei Etagen: Keller, Erdgeschoss und Obergeschoss. Während Roman unten im Keller den Hahn aufdrehen wollte, würde ich im Erdgeschoss die Rohe inspizieren und der Sohn im Obergeschoss. Er ist fünf Jahre alt und langsam wird es Zeit, dass er sich mit in den Arbeiten einbringt. Da kann es nicht zu viel verlangt sein, dass er mal eine Dichtigkeitsprüfung mitmacht, oder? Also los. Roman stapfte in den Keller. Ich bezog Stellung im Erdgeschoss, der Sohn hockte sich mit seiner kleinen Arbeitsschutzbrille ins obere Bad und machte dabei einen angemessen wachsamen und engagierten Eindruck.
Irgendwann rief Roman im Keller: „OK, ich dreh jetzt auf. Achtung! Los“.
Im Erdgeschoss rief ich: „Hier ist alles super.“ Mit einem Tuch ging ich alle Rohre entlang, um auch den kleinsten Wassertropfen aufzuspüren. Alles tutti.
Im Obergeschoss herrschte Stille. „Eddie, ist alles trocken bei dir?“, rief ich nach oben. „Hier ist ein bisschen Wasser“, schallte es zurück. Das klang zwar alarmierend, aber nicht allzu besorgniserregend, fand ich. Ein bisschen Wasser, damit konnte er auch irgendwelche Reste vom Blumen gießen meinen. Er nahm es mit den Formulierungen manchmal allzu genau. Wir gingen also vorsichtig optimistisch nach oben, um seine Prüffähigkeiten ebenfalls einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Oben stand der Fünfjährige mit unsicherem Blick. Er war über und über nass – Haare, Kleidung, selbst die Schuhe machten ein floppendes Geräusch beim Gehen – ebenso wie das komplette Bad. Das war dann doch alarmierend. Da das komplette Bad geflutet war, war es nur noch schwer auszumachen, wo genau die undichte Stelle war. Wir fragten ihn, er zeigte vage in den Raum hinein. Im Bad also, aha. Also nochmal prüfen. Roman ging wieder in den Keller und drehte auf, zuerst das Warmwasser, dann das kalte Wasser. Danach war ich genauso nass wie der Sohn, konnte aber immerhin mitteilen, dass die Fehlerquelle die Wasseranschlüsse des künftigen Waschbeckens waren. Shit. Wie sich herausstellte, hatten wir hier beim Einkauf der Wandscheiben geschlampt. Was ein Millimeter im Durchmesser so alles ausmachen kann… Eine Woche später kamen wir mit neuen, nunmehr passenden Wandscheiben im Ferienhaus an und die Dichtigkeitsprüfung fiel zur Zufriedenheit aus. Hurra.
Damit war sicher das Schlimmste geschafft, dachten wir. Wir widmeten uns also dem Verputzen der Wand. Eine vergleichsweise angenehme Arbeit – jedenfalls, wenn man sie mit dem Verputzen der Decke vergleicht. Die Schwerkraft ist wahrlich nicht meine Freundin.
Wie gesagt: Im Untergeschoss schafften wir eine Wand. Die übrigen drei bestehen aus Gipskarton und mussten nur gespachtelt werden. Oben lugen noch die Putzschienen wie Gerippe aus den ersten Putzmassen, vom Rest hielt uns die Polizei ab.
Da wir in den letzten Wochen einiges an Benzin gespart haben, wollten wir das Ersparte natürlich nicht ungenutzt lassen, sondern sogleich der regionalen Wirtschaft zugute kommen lassen. Außerdem läuft uns die Zeit davon. Wir engagierten also einen Estrichleger. Im unteren Flur sieht es nämlich noch so aus:
Ursprünglich hatten wir geplant, uns ein kinderfreies Wochenende und vier starke Freunde zu gönnen, um diese Arbeit in Angriff zu nehmen. Diese Zeit wollen wir uns jetzt sparen. Offenbar ist Corona auch im heimischen Handwerk angekommen. Wo es vor einigen Wochen noch unmöglich war, mehr als ein müdes Lächeln bei einer Terminanfrage zu ergattern, hat der kontaktverbotsgeplagte Handwerker heute noch Zeit im Kalender frei. Der Estrichleger unserer Wahl ist ein sympathischer älterer Herr, der einen zwar am Telefon extrem laut zusammenbrüllt, aber dabei stets gut gelaunt ist. Andererseits waren bisher alle angeheuerten Handwerker sehr sympathisch. Die meisten nahmen trotzdem ihre Arbeit nicht auf, aber das ist ja eine andere Geschichte. Wo wir schonmal dabei sind: Der Elektriker hat die letzten arbeitsarmen Wochen leider nicht genutzt, um seine Arbeiten voranzubringen. Oder wenigstens mal von sich hören zu lassen. Gerade hat er zwar auf Anfrage telefonisch angekündigt, sich Mitte Mai wieder sehen zu lassen, aber nach anderthalb Jahren auf dem Bau haben wir jedes Vertrauen ins professionelle Handwerk verloren. Wir glauben nur noch, was wir sehen können. Eine kleine Überlegung treibt mich dabei auch noch um: Am Telefon erklärte Roman dem Meister, dass wir – sofern er seine Arbeit nicht in absehbarer Zeit wieder aufnimmt – wenigstens unseren Hausschlüssel zurück haben möchten, diesen hätte er immerhin seit nunmehr fast einem Jahr. Nun würden wir ihn gern anderen Handwerkern übergeben, damit diese in unserer Abwesenheit ins Haus können. Sofort wollte er wissen, um wen es sich dabei handle. Dieses Phänomen ist uns bereits oft untergekommen: alle Handwerker erkundigen sich nach den Namen ihrer Kollegen. Warum? Werden alle Baustellen bei regelmäßigen Stammtischen erörtert? Warum will man wissen, wer den Estrich legt, wenn man selbst nur für die Elektrik zuständig ist? Selbst im am dünnsten besiedelten Bundesland dürfte es schwierig werden, einen Überblick über alle Kollegen in sämtlichen Gewerken zu haben, oder? Ich kann es nicht ganz nachvollziehen. Kennt ihr das?
Wir jedenfalls sind gespannt, ob in der nächsten Woche unser Erdgeschoss eine gravierende Verbesserung erfährt. Dann können wir nämlich endlich, endlich die Treppe in Auftrag geben. Das dauert ja sicher auch wieder einige Wochen, sie wird aber der krönende Höhepunkt der Arbeiten für mich sein. Wenn ihr euch mal die Treppe auf dem Bild anseht, wisst ihr warum.
Ich bin glücklich, dass es trotz unserer Abwesenheit ganz langsam im Haus voran geht. Weiterhin hoffen wir alle sehr, irgendwann selbst wieder Hand anlegen zu können.