Feinste Spachtelei

Weiter geht’s! Inzwischen sind kleine Fortschritte im Ferienhaus zu erkennen. Kurz vor Weihnachten haben wir uns an unser selbstgesetztes Ziel erinnert, zu Weihnachten in einem fertigen Wohnzimmer zu sitzen. Dafür mussten wir nur noch das Wohnzimmer fertig machen.

Wie sah es denn aus? Der Boden bestand aus altem Estrich, der hier und da schon etwas angegriffen war. Außerdem war er – wie alles in dem Haus – uneben. Vermutlich hatte man ihn einfach mit bloßen Händen auf den Boden geschaufelt. Es gab nackte, grobporige Wände, in denen die Schlitze für die Elektroleitungen grob geschlossen worden waren. (Ich benutze hier das Passiv, weil dann weniger Schuld auf uns fällt, was die Ausführung der Arbeiten betrifft. Es ist mir etwas peinlich, aber es sah aus wie kurz nachm Krieg.) Ansonsten gab es immerhin neue Fenster und der Durchgang zur Küche war gemacht und von schönen Balken umkränzt. In der Küche ein ganz ähnliches Drama, nur noch schlimmer, da dort auch der ursprüngliche Fliesenspiegel von der Wand gestemmt worden war und eine großflächige Wunde hinterlassen hatte. Soviel zum Status quo.

Wir machten uns einen groben Plan, wie wir vorgehen wollten in den nächsten Wochen bis Weihnachten. Sollte ich dieses zeitliche Ziel weiterhin erwähnen? Es ergibt eigentlich keinen Sinn, denn natürlich trafen wir es nicht… Dennoch hier der Plan:

  1. Wand mit entferntem Fliesenspiegel mit Haftputz einmal „gerade ziehen“
  2. Wände verputzen
  3. Durchbruch bzw. den beschädigten Putz auf der Mauer drumherum verputzen
  4. Wände streichen
  5. eine Wand tapezieren
  6. neuen Fliesenspiegel anbringen
  7. Ausgleichsmasse für den Boden gießen
  8. Boden legen

Soweit, so gut. Ich bin ja immer ein großer Fan von Spoilern, darum hier einer für euch: wir sind immer noch nicht fertig. Aktuell haben wir zwar Nummer 8 fertig gestellt, allerdings unter Auslassung von Nr. 6. Wenn jetzt eine/r nicht mehr weiterlesen will, kann ich es verstehen, ich bin nicht sauer.

Wir begannen also mit, na klar, Nummero Uno. Das war noch der leichte Teil. Einfach Haftputz anrühren, aufklatschen und gerade ziehen. Da über und unter dem alten Fliesenspiegel mehr oder weniger gerade Wand war, brauchte man den Putz nur ranklatschen und dann z. B. mit einem Richtscheit abziehen. Das ging halbwegs gut. Das Ergebnis war nicht hundertpro schön, aber da ja noch Feinputz darüber zu spachteln war, verziehen wir uns das großzügig.

Spachteln_1

Dann kam besagter Feinputz. Schöne, glatte Wände wollten wir. Wir rührten also weiter, diesmal schönen Flächenspachtel. Sumpfen lassen und los ging es. Bereits an der ersten von acht Wänden wurde deutlich, dass wir erneut vor einer schier unlösbaren Aufgabe standen. Wir hatten noch nicht einmal einen Quadratmeter bearbeitet, da standen wir schon wieder kurz vor der Trennung, so sehr stresste uns unser Vorhaben. Ich war sauer, weil es nicht funktionierte wie geplant (und auf YouTube gesehen). Der Mann war sauer, weil ich ständig sauer war und er deshalb auch sauer sein musste. Die Kinder heulten – sicher auch nur deshalb, weil die Verputzerei nicht in angestrebtem Tempo voranschritt. Ich heulte mit.

Während wir nach wenigen Minuten über und über mit Feinspachtelmasse überzogen waren, sah die Wand noch ganz anders aus. Wie sollte man das machen? Ich gab wirklich mein Bestes, um ein halbwegs akzeptables Ergebnis hinzubekommen. Neben mir lagen diverse Werkzeuge, die dabei helfen sollten, aber völlig nutzlos waren, weil ich nicht wusste, wie ich sie bedienen sollte. Roman versuchte mich zu beruhigen, dass niemand das von Anfang an konnte. Ich weiß immer nicht so recht, wie einen diese Aussage beruhigen soll. Schließlich hatten wir nicht die Option, alle Dinge im Haus, die wir „zu Anfang“ taten, den Gästen irgendwann vorenthalten zu können. Auch die Dinge, wie wir zum ersten Mal in Angriff nahmen, würden ja letztlich zu sehen sein. Also sollte es bitteschön auch von Anfang an klappen.

Spachteln_2

Nach circa drei Wochen (ja, das ist leider ernst gemeint), hatten wir alle acht Wände in der Küche und im angrenzenden Wohnbereich so weit gespachtelt, dass sie allesamt zumindest mit Spachtelmasse bedeckt waren. Die Unebenheiten – also eine circa 10 cm dicke Schicht – würden abgeschliffen werden müssen. Wir ahnten schon, dass man recht lange schleifen müsste, um hier ein gerades Ergebnis hinzubekommen. Was für ein Glück, dass sich unsere Baukollegen Ines und Kai zum Besuch ankündigten. Ich nehme an, die beiden hatten ein bautechnisch bedingtes Tief im eigenen heimischen Projekt und mussten sich vergewissern, dass es anderswo noch schlimmer aussah. Und dabei konnten wir ihnen natürlich helfen. Zunächst sahen sie sich mit höflicher Zurückhaltung um. Das musste insbesondere Kai sehr schwer gefallen sein, denn irgendwann brach es aus ihm heraus: „Ist das der Grobputz?!“ – „Äh, nein, das ist schon Feinspachtel.“

„Das ist aber grob!“

„Ja, ist noch grob, aber die Masse ist Feinspachtelmasse!“

„Sieht aber wirklich grob aus!“

„Tja, nun….“

Es dauerte nicht lange und Kai hatte sein abschließendes Urteil gefällt: „Das geht aber noch glatter, so könnt ihr das nicht lassen.“ Offenbar juckte es ihn richtig in den Fingern. Bevor er noch gefragt hatte, ob er das zur Illustration nicht mal zeigen sollte, hatte er die Lederjacke schon abgestreift und schwungvoll in die Ecke bzw. auf den einzig verfügbaren Stuhl geschmissen. Tja, das war natürlich ein Fehler, denn die gesamte Einrichtung war ja von Feinputzklecksen in den verschiedensten Phasen der Durchtrocknung überzogen. Dennoch, Kai konnte nicht anders. Er inspizierte die Wand nochmals (zum Kopfschütteln), das Werkzeug (zu schmutzig) und uns (zu ahnungslos).  Dann legte er los: Das Werkzeug („wenigstens aus Edelstahl“), das wir selbst bis vor Kais Ankunft noch für nahezu unbrauchbar gehalten hatten, weil es nicht mehr zu reinigen war, hatte Kai in Sekunden mit flinken Fingern wieder blitzeblank gekratzt. Roman, der das Geschehen bislang eher teilnahmslos beobachtet hatte, wurde eine („wenigstens Edelstahl-„)Kelle in den Schoß geworfen mit der Aufforderung, diese ebenfalls wie gezeigt zu reinigen. Roman, ohnehin ein Freund klarer Anweisungen, überlegte nicht lang und fing an zu kratzen. Kai schnappte sich einen Bottich und fing an, eine neue Masse anzurühren. Bei YouTube wurde immer gesagt, die Masse solle eine Konsistenz wie Sahne haben. Bei Kai hatte sie die Konsistenz von Stockbrotteig. Das sagt ja hoffentlich der Leserschaft, dass sie eher fest als flüssig war. Dennoch, für Kai war sie gerade richtig. Er klatschte einen Schwung Spachtelmasse an die grobe Wand und bearbeitete sie nun, bis sie schön glatt war. Sah eigentlich easy aus. Komisch.

Während er arbeitete, beobachteten wir ihn und plauderten. Kai erläuterte zunächst sein Vorgehen beim Spachteln („Richtig ranpressen. Siehste, das sieht gleich glatter aus. Hier, so kleine Unebenheiten machen nichts aus, die kannst du wirklich wegschleifen, aber nicht die ganze verfluchte Wand!“) Das Gespräch kam irgendwann auf den Women@Work-Kurs, den ich für das kommende Wochenende plante. Für die, die das nicht kennen: mehrere große Baumarktketten haben die Frauen als Zielgruppe entdeckt. Die kollektive Ahnungslosigkeit, die unser Geschlecht in Sachen Heimwerkertätigkeiten überkommt, hat das Produkt „Frauenkurse“ geschaffen. In regelmäßigen Abständen wird also eine Hundertschaft Frauen außerhalb der Öffnungszeiten durch den Baumarkt getrieben, um a) etwas zu lernen und b) die nunmehr vertrauten Produkte bitte auch einzukaufen. Brilliante Idee, wie ich finde. Soviel Geschäftssinn muss belohnt werden. Also meldete ich mich mit einer Freundin zum Kurs „Fliesenlegen“ an.

Während Kai also verputzte, hatte er noch genügend Energie, die Pläne für mein Wochenende ebenfalls abzunicken. Das sei eine gute Sache, fand auch er. Da würde ich sicher einiges lernen. Er würde auch gerne mal, aber ging ja nicht, weil Mann und so. Naja, aber für den Laien sei das am Anfang ein richtig guter Einstieg, gab er spachtelnd seine Zustimmung. Wir Frauen saßen auf dem Boden, blickten zu ihm auf und nickten. Außerdem würden wir da auch endlich mal ohne männliche Besserwisserei den Abend genießen können, mansplainte er munter weiter. Wir nickten wieder – diesmal mit besonderer Zustimmung.

Aber was soll ich sagen, der Erfolg gab ihm recht. Nur kurze Zeit später, waren zwei Wände – die erste hatte ihm nicht gereicht, er musste sich dankenswerterweise auch an der zweiten austoben – deutlich optimiert. Wir waren begeistert. Das Geheimnis schien zu sein, einfach mehrfach über die Wände zu gehen und so Schicht um Schicht die Unebenheiten auszumerzen. Hätte man auch selbst drauf kommen können…

Spachteln_3

Nun standen uns also weitere Wochenenden voller Spachtel-Arbeiten bevor. Aber endlich waren wir zuversichtlich, dass sich am Ende ein Erfolg abzeichnen würde. Vielen Dank an dieser Stelle also nochmal, lieber Kai, für deine Mühe, dein Engagement und deine Geduld mit uns.

Gern gibt es an dieser Stelle auch noch eine Auswertung des Woman@Work-Kurses, falls es jemanden interessiert:

Meine Freundin Tine und ich begaben uns also an einem saukalten Freitagabend zu unserem örtlichen Baumarkt, um endlich das Handwerk des Fliesenlegens zu erlernen. Während es bei mir noch reinste Notwendigkeit war – schließlich steht mir an genau diesem Wochenende der Fliesenspiegel in der Küche bevor – war Tines Motivation deutlich vager. Irgendwann stünde vielleicht der Fußboden bevor oder auch eine Wand. Oder es war einfach Mitleid mit mir. Was auch immer, ich war froh, dass sie dabei war. Pünktlich nach Toreschluss, also um 20:00 Uhr, sollte es losgehen. Die anwesenden, noch unsicher um sich blickenden Frauen, trafen tatsächlich zu hunderten ein. Naja, also es waren wenigstens einhundert Frauen. Um uns alle etwas locker zu machen, gab es am Eingang ein Namensschild und Sekt. Wäre es nicht ein Baumarkt gewesen, hätte man denken können, die hätten Schlimmstes mit uns vor. Zwischen den Regalen wurden lange Bierbänke aufgestellt. Dort durften wir warten und bekamen erste Instruktionen, wie der Abend ablaufen würde. Schließlich wurden wir in Kategorien, pardon Gruppen, aufgeteilt: Fliesen legen, tapezieren, mit Holz arbeiten, malern, Laminat legen. Die einzelnen Gruppen bekamen dann einen Betreuer zugewiesen, der sie in die vorgesehene Baumarkt-Ecke brachte. Klar, um es authentisch wirken zu lassen, hätte man die wenigen weiblichen Angestellten des Baumarktes verpflichten können, um uns an diesem Abend Gesellschaft zu leisten. Aber es kam, wie es kommen musste: alle Instruierenden waren Männer, nur die Person an der Getränkeausgabe war eine Frau. Ich vermute, sie war auch diejenige, die später putzen musste, aber das ist natürlich nur böswillige Spekulation.

In „unserer“ Ecke waren zwei große Würfel, bestehend aus Gipskartonplatten, aufgebaut – insgesamt also 8 Wände, die man fliesen konnte. Wir waren eine Gruppe von 20 Personen und mir schwante bereits, dass diese Würfel später heiß umkämpft sein würden. Es wollte schließlich jede mal ran und was lernen.

Die Baumarktangestellten witzelten kurz rum, wer nun wessen Vorgesetzter war, pinkelten kurz in die Ecke, dann ging es los. Kurz wurden die Vor- und Nachteile verschiedener Fliesenkleber erläutert, das nötige Werkzeug und wie man beim Auftragen des Klebers vorgehen sollte (im Prinzip genauso, wie man es erwarten würde, also einfach möglichst glatt an die Wand schmieren und dann mit einer gezahnten Kelle „durchkämmen“). Dann konnten schon die Fliesen raufgedrückt werden. Wir stellten uns also in Grüppchen um die Gipskartonwürfel herum, Tine und ich eroberten eine Wand ganz für uns allein. Wir schmierten und drückten. Zur Wahl stand eine kleine Auswahl äußerst hässlicher Fliesen, Restposten vermutlich, die wir wacker in einem nicht minder hässlichen Muster an der Wand anordneten. Zwischendrin begutachteten wir die Fliesenmuster der anderen Damen und kamen zu dem Schluss, dass unseres das mit Abstand anständigste war. Erst nachdem mehrere Gruppen die Erkenntnis machten, dass am Ende der Fliese manchmal noch ein wenig Wand übrig war, kramten die Herren den Fliesenschneider heraus auf dass wir auch die Kunst des Kürzens erlernen würden. Allerdings beschränkte sich die Kunst wirklich auf die Basics – also gerade Schnitte – für komplexere Arbeiten fehlte die Zeit.

Gottlob trocknete der Fliesenkleber schnell und wir konnten in den letzten 10 Minuten noch schnell verfugen, um das Gelernte abzurunden. Hier zeigte sich dann, wer ordentlich gearbeitet hatte. Dank der Fugenkreuze waren die Fliesen zwar in der Horizontalen als auch in der Vertikalen gerade angeordnet, doch standen manche dank ungleichmäßig aufgestrichenen Kleber etwas mehr von der Wand ab als andere. Ich machte mir gedanklich eine Notiz, dies bei künftigen Arbeiten zu beherzigen.

Der Abend wurde gekrönt von einem Buffet am Ende, als sich hundert hungrige Frauen gegen 23 Uhr auf hunderte halbe Brötchen stürzten und diese mit einem ordentlichen Schluck Sekt herunterspülten. Dazu gab es sogar noch eine Urkunde, die nun mir und allen anderen bescheinigt, einen Abend lang im Baumarkt eine Gipskartonwand gefliest zu haben. Nicht von schlechten Eltern, oder?

Kann man das Ganze empfehlen? Doch, ja. Ich hatte einen schönen Abend mit Tine und war danach hochmotiviert, den Fliesenspiegel im Ferienhaus anzugehen. Es ist außerdem auch ganz witzig, mit Fremden  herumzumatschen. Ein wenig gelernt habe ich auch, das kann ich zugeben. Wie viel, wird sich dann morgen im Ferienhaus zeigen…

Ich werde wie immer berichten. Unsere Erlebnisse beim tapezieren und dem Gießen der Ausgleichsmasse werde ich dann im nächsten Bericht zum Besten geben. Wir freuen uns, wenn ihr dabei bleibt.

 

 

 

 

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