With a little help…

Malervlies

Long time no see, gelle? Dann wollen wir mal…

So viel passiert gerade nicht im Ferienhaus. Wir sind zwar stetig am Werkeln, der ultimative Erfolg lässt aber auf sich warten. Momentan sind wir immer noch dabei, die Zimmer mit Feinputz zu versehen, die wir nicht tapezieren wollen. Wir haben ja im „Terrassenzimmer“ den Versuch gestartet, die Wände mittels Malervlies ordentlich zu bekommen. Macht super glatte Wände, wurde vom Hersteller versprochen. Supereinfach zu verarbeiten, verkündete er außerdem. Naja, was denkt ihr, wie die Wirklichkeit aussah? Nicht ganz so supereasy natürlich. Vielleicht liegt es auch an dem alten Haus, welches wir unser Eigen nennen. Es hat ja keine rechten Winkel, was alles ein bisschen schwieriger macht. Die Wände sind auch weder in der Vertikalen noch der Horizontalen einfach plan sondern haben hier und da ulkige Beulen. Eine Wasserwaage kann man an einigen Stellen gar nicht anlegen, weil sie nur an einigen Punkten die Wand berührt. Außerdem sind die Wände übersäht von Putzpickeln, wie wir sie nennen. Einem Teenager gleich sind sämtliche Flächen in unregelmäßigen Abständen von kleinen Pusteln aus Mörtel bedeckt. Natürlich sind die Pustel vollkommen unterschiedlich in Größe und Beschaffenheit. Wäre ja noch schöner, wenn man sich auf irgendeine Gegebenheit einrichten könnte. Manche sind eher kleine Krümel, die wohl von einer Mischung aus Tapeten- und Klebstoffresten herrühren. Die kann man leicht mit dem Spachtel entfernen. Andere sind schon größer, ungefähr erbsengroß. Da muss man mit dem Spachtel schon ordentlich gegendeppern. Und dann gibt es noch die großen, eigentlich keine Pustel, sondern eher Beulen. Da reicht ein Spachtel nicht mehr, da braucht man schweres Gerät. Von diesen gibt es nur circa einen pro Raum, was immerhin etwas Gutes ist. Vor dem Anbringen des Malervlieses mussten wir die Wände also ordentlich vorbereiten. Und hier kommen wir zu der größten Schwierigkeit des gesamten Unterfangens: wir arbeiten ja eher abends bis nachts. Während das vor ein paar Monaten noch kein Problem war, weil die Sonne lange ins Fenster schien, ist es nun bereits in den späten Nachmittagsstunden dunkel. Ja, manchmal ist es sogar tagsüber so dunkel, dass man das Licht anknipsen muss. Herbst, Winter. Ihr kennt das.

Dieser herbstlich-winterliche Umstand führt dazu, dass wir mehr oder weniger im Blindflug agieren, immer in der Hoffnung, dass die Arbeit auch am nächsten Morgen noch gut aussieht. In der Realität war das leider nicht immer der Fall. Das Malervlies anzubringen war natürlich mal wieder eine reine Freude. Nicht. Eigentlich klingt es ganz einfach: Wand einkleistern, raufkleben, fertig. Stoß auf Stoß sollte es schon sein, um ordentlich zu wirken. Das Malervlies hat übrigens eine Breite von gut einem Meter – also ungefähr doppelt so breit wie die handelsübliche Tapetenbahn. Zugegeben, Affenarme braucht man dazu auch nicht unbedingt, aber es ist trotzdem schon next Level, das Ganze dann so hinzuzittern, dass es auf der gesamten Länge der Bahn Stoß auf Stoß klebt. Apropos Kleber: Laien wie uns gelang es tatsächlich, beim Verrühren des Klebers Klumpen bilden zu lassen. Ganz schlecht! Diese gesellen sich nämlich zu den Pusteln und Beulen auf der Wand hinzu. Insgesamt kann man sagen, dass wir vielleicht mit einer schnöden Raufasertapete besser dran gewesen wären. Aber nu‘ is‘ zu spät, abreißen kommt nicht in Frage! Nach dem Vlies kam das Streichen. Und danach nochmal und nochmal. Insgesamt haben wir Wände und Decken circa 8675432 Mal gestrichen. Das Malervlies zieht sehr viel Farbe, die Gipskartonplatten beanspruchten immer noch eine extra Farbschicht.

Zwar haben wir gleich am nächsten Tag den Fußboden gelegt, da wir endlich mal einen fertigen Raum brauchten, um nicht vollkommen den Mut zu verlieren. Aber um ehrlich zu sein, denke ich, dass wir hier dringend noch nacharbeiten müssen. Nach dem Streichen hat man auch erst richtig gesehen, wo wir schlecht geschliffen haben. Da geht noch was! Aber erst in ein paar Wochen (oder Monaten, wenn wir schon mal ehrlich sind). Alternativ müssten wir an unserem Beleuchtungskonzept arbeiten. Sprich: wir dürfen nicht beleuchten. Eventuell werden wir uns tatsächlich für Kerzenlicht für das ganze Haus entscheiden. Dann würde ich mich allerdings ärgern, dass wir so lange auf den verfluchten Elektriker gewartet haben. Es ist also noch nichts entschieden.

Da, wie gesagt, das Schleifen per Hand bzw. per handlichem Gerät nicht ganz so befriedigend war, haben wir uns dazu entschieden, von unseren Lieblingsbaukollegen eine Giraffe auszuleihen. Ihr wisst ja, Kai hatte uns bereits in der Vergangenheit super detaillierte Tipps zur Handhabung gegeben und die sollten natürlich nicht verschwendet werden.

An besagtem Wochenende waren wir gar nicht so sicher, ob wir überhaupt zum Ferienhaus fahren sollten. Roman schwächelte etwas, ein grippaler Infekt kündigte sich an. Aber wir wollten doch gern das Gerät leihen, damit wir bei nächster Gelegenheit mit dem – diesmal professionellem – Schleifen loslegen könnten. Also hin zu Kai und Ines. Zur Stärkung gab es Kaffee und Kuchen, Roman schien es gleich besser zu gehen. Danach verkündeten die Gastgeber, dass sie unsere Hilfe bräuchten. Ganz kurz nur und es sei gar nicht so schlimm. Sie müssten nur mal eben eine 5 Tonnen schwere Glasscheibe ins Obergeschoss transportieren. Ob wir wohl kurz mit anfassen könnten….? Kein Problem, wir waren ja schließlich Heimwerkerkollegen. Roman konnte die Lage offenbar etwas realistischer als ich einschätzen, denn er fing an zu niesen. Kai erzählte munter von der schweren Scheibe, die nach oben müsse. Roman schnäuzte sich auffällig. Kai erzählte, dass er extra eine Motorwinde angebracht hätte, aber ohne Hilfe könne man die einfach nicht über die Galerie im 9 Meter hohen Obergeschoss (Keine Ahnung, wie hoch es wirklich ist, aber sehr hoch! So wie der Eiffelturm ungefähr.) hieven. Roman hustete. Ich gaffte ihn an und fragte mit unmissverständlicher Mimik, was zum Geier los mit ihm war. Roman fing an zu näseln, dass eine Hilfestellung gar kein Ding wäre. Aha! Daher rührte der Wind. Er fühlte sich zu krank, um schwere körperliche Arbeit zu leisten. Tja, da musste er wohl etwas weniger subtil vorgehen, denn Kai erhob sich bereits und überlegte laut, wie wir wohl die Kinder in der Zwischenzeit loswerden, äh…beschäftigen könnten. Die hopsten mittlerweile munter mit schokoladenbeschmierten Fingern in der Wohnung herum. Roman gab seinen Widerstand auf – er war ja ohnehin nicht besonders erfolgversprechend – und fügte sich in sein Schicksal. Die Kinder bekamen Netflix und noch mehr Schokolade, würden also demnächst ins Zuckerkoma stürzen und somit keine Beaufsichtigung benötigen.

Wir anderen begaben uns nach nebenan in den Hauptbereich der großen Scheune, die die beiden Gastgeber zu ihrem neuen Wohnraum umgestalten. Eine Weile bewunderten wir die neuen Dielen. Roman hüstelte ein letztes Mal. Dann konnten wir uns nicht mehr drücken und begaben uns zum Ort des Geschehens. Stellt euch bitte einen großen Raum vor, an dessen rechter Wand bereits ein Kamin von gemütlichen Winterabenden kündet. Wenn man nach oben guckt, sieht man das Geländer der Galerie, die den Übergang zwischen künftigem Schlafzimmer zur Linken und Hauptbadezimmer zur Rechten bildet. Das Ganze, wie gesagt, eiffelturmhoch. Unter dem Eiffelturm wartet bereits ein Gerüst, über dem wiederum die angekündigte Motorwinde wie ein Damoklesschwert schwebt. Das konnte nur gut werden!

Zunächst buckelten Kai und Roman die Glaswand bis zu dem Gerüst. Das ging gerade noch. Sie war geschützt durch allerhand Folienschichten in ein Holzgestell eingebaut worden, wo sie nun im 45-Grad-Winkel stehend auf ihre Weiterverarbeitung wartete. Nachdem die Männer die Glaswand bis zum Gerüst befördert hatten, zog Roman erstmal die Jacke aus. Die Erkältung schien für den Moment vergessen. Vielleicht war es auch einfach schon ein Fieberschub, der ihn angesichts der kommenden Arbeit überkam.

Nun musste überlegt werden, wie Holzgestell mit Glaswand über die Galerie gehoben werden könnte. Fall sich jemand fragt, warum wir nicht einfach die Treppe nahmen: die Alternative war eine eiserne Wendeltreppe, deren Radius für das gute Stück einfach zu eng war. Die Beförderung über die Galerie war also die einzige Option. Mithilfe zahlreicher bunter Abschleppseile befestigten wir das Holzgestell an der Motorwinde. Hübsch anzusehen! Danach waren eigentlich alle schon fix und fertig, aber keiner traute sich, die Unternehmung abzublasen. Das Problem wäre ja auch so nur vertagt worden. Also hoch damit. Die räumlichen Gegebenheiten brachten es mit sich, dass das schwere Gestell nicht mittig nach oben gezogen werden konnte, sondern einen leichten Rechts-Drall entwickelte – immer schön in Richtung Ofen. Ich bekam also die ehrenvolle Aufgabe, eines der langen, am Gestell befestigten Seile, in die vom Ofen entgegengesetzte Richtung zu ziehen, so lange es frei in der Luft hing. Was von nun an der Fall war. Zwar schaffte die kleine Heldin Motorwinde – trotz lautem Protestsurren – problemlos, die Glaswand nach oben zu ziehen, doch war am Ende der Winde noch zu viel Galerie übrig. Ungefähr auf Kniehöhe des oberen Bodenniveaus endete die Fahrt und wir mussten die riesige, sauschwere Glaswand in ihrem Holzsarg irgendwie über das Geländer bringen. Ich stand immer noch – einer Dompteurin gleich – im Erdgeschoss und versuchte verzweifelt, die Glaswand vom Ofen fernzuhalten. Roman und Kai standen inzwischen auf dem wackeligen Gerüst und versuchten, das Teil über die Galerie zu hieven. Ines sollte es dort mehr oder weniger in Empfang nehmen. Wie auch immer sich die Männer vorgestellt hatten, dass sie ihre Fracht der zierlichen Frau eben mal übergeben konnten: es klappte natürlich nicht. Also Roman und Kai runter vom Gerüst und hoch aufs Obergeschoss. Klappte nicht. Ich sollte nun auch mit anpacken. Wir also alle viere im Obergeschoss, die Wand zu uns ziehend. Auf halbem Wege, irgendwo über dem Geländer merkten wir, dass unsere Kraft einfach nicht ausreichte. Ines sah schon unser aller Ableben vor ihren Augen und war nun bereit, das ganze Unterfangen zu beenden. Notfalls mit Scherben, Hauptsache am Leben. Für ein frühzeitiges Ende war der Zeitpunkt allerdings echt ungünstig, immerhin hing das Ganze nun recht wackelig mitten über der Galerie. Kai mahnte – gänzlich unentspannt – zur Entspannung, wir anderen hielten also fortan den Mund und behielten etwaige Zweifel am Gelingen unseres Tuns für uns. Roman warf mir ängstliche Blicke zu. Ich warf zurück. Vermutlich überlegte er, ebenso wie ich, ob und wie das Leben als Alleinerziehende/r zu organisieren war. Hoffentlich würde wenigstens nur einer von uns beiden draufgehen, damit die Kinder (inzwischen vermutlich komatös im Schokoladenhimmel) nicht ganz alleine wären. Nach einer Weile stummen und immer kraftloser werdenden Stöhnens ohne jeden Fortschritt, war auch Hauptmann Kai überzeugt, dass das so nichts wurde. Einer musste runter aufs Gerüst und mithin unter die tonnenschwere Glaswand. Bei der Überlegung, wer am ehesten zu entbehren war, verlor seltsamerweise ich und wurde nach unten geschickt. Während ich mich durch eine kleine Luke in die oberste Etage des Gerüsts quälte (verflucht enge Kiste), bekam ich Bauchkrämpfe. Also kein Bauchweh, sondern tatsächlich krampfte meine Bauchmuskulatur. Das passiert manchmal in ungünstigen Positionen. Ich schreibe diesen Verfall meines Körpers den zwei Geburten zu, die ich unter widrigsten Umstände hinter mich bringen musste. Während ich also einmal mehr mit meinem ach so harten Schicksal als Frau rang, ackerte ich mich ganz nach oben auf das Gerüst, wo ich mich auf allen vieren, direkt unter der Glaswand positionierte. Von hier aus sah die Lage noch hoffnungsloser aus. Ich schwieg natürlich. Wir kamen überein, dass die drei oben ziehen und ich mit meinem Rücken schieben würde.

Während ich also meinen Rücken nach oben wölbte und gegen das Gestell presste, überlegte ich nochmal, warum ausgerechnet ich in dieser entwürdigenden Situation gelandet war. Das nächste Mal würden wir einen Tagelöhner bei den Kleinanzeigen buchen müssen! Aber ach, … Ein Wunder geschah, das Gestell samt Glaswand konnte endlich über das Geländer gewuchtet werden. Alle waren glücklich. Wir – also das glückliche Trio im Obergeschoss, das nicht auf allen Vieren war – klatschten fröhlich ab und beglückwünschten einander.

Der Rest war dann ein Kinderspiel. Wir mussten das ganze Ensemble nur noch auf Malervlies heben und konnten dann alles schön über die neuen Dielen ins ebenso neue Bad ziehen.

Was für eine Schufterei. Aber sie hat sich gelohnt. In Kais und Ines‘ niegelnagelneuem Badezimmer steht jetzt eine sauschwere, aber schöne Glaswand. Ich frage mich, wie oft sie dagegen laufen werden. Aber sie können ja die blutigen Wunden gleich wieder abduschen, also ist es vielleicht nicht so schlimm. Oder sie machen sich diese netten Vogel-Aufkleber an das neue Glas, damit sie vorgewarnt sind.

Aus mir spricht hier der Neid, das dürfte klar sein. Mit unserem eigenen Badezimmer sind wir nämlich noch keinen Schritt weiter. Macht aber nichts. Roman sagt, ich solle mich entspannen und wir haben ja inzwischen gedanklich schon ein Jahr Renovierungszeit drangehängt. Das sollten wir dann wirklich schaffen.

Pythagoras

Apropos schaffen: wenn ich es schaffe, werde ich in den nächsten Beiträgen mal ein kleines Erfolgsprojekt zeigen. Wir haben im Kinderzimmer des Ferienhauses ein kleines Puppenhaus in eine Wand integriert, auf das wir ziemlich stolz sind. Kleiner Spoiler: wir haben für den Bau tatsächlich den Satz des Pythagoras gebraucht! Und da sagt noch einer, dass man das in der Schule Gelernte nie wieder brauchen würde! Ha! Aber dazu später noch einmal…

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